Der Lavagaenger
hatte er ihn zurückgehalten, aus Gründen der Staatsräson, um den Feinden der Monarchie keine Handhabe zu bieten, wie er betont hatte, um des Königs Herz nicht in Verwirrung zu stürzen, wie er beteuert hatte. Doch nun, da er den König so elend sähe …
Kalākaua lachte auf, dass der Diener erschrocken den Kopf zur Tür hereinsteckte. Was für ein Schluss, wie der glückliche Schluss einer köstlichen Operette.
Das wäre noch etwas, was zu tun wäre. Zusammen mit Berger eine Operette schreiben: ein König in Wien. Oder: Isabelle und der bronzefarbene König. Fangen wir gleich an, Bild auf Bild, Szene auf Szene:
Der König inkognito. Als Mister David durchfährt er im Zweispänner Berlin, durchstöbert sämtliche Musikalienhandlungen, sucht Melodien im Dreivierteltakt.
Eine Villa irgendwo zwischen Rhein und Ruhr. Wie hieß diese Stadt doch gleich? Hessen? Oder Essen? Ein kleines Orchester spielt im Vestibül zu Ehren des Gastes. Dieser – jetzt wieder König – betritt den Raum in blauem Frack und hellen grauen Hosen, reicht einem Diener die taubengrauen Handschuhe und den Zylinder von der gleichen Farbe. Er streicht sich über das schwarze Haar – wie von Ebenholz, wird ein Reporter schreiben. Ebenso tiefschwarz die üppigen Koteletten, die sich an den Kinnbacken mitdem kräftigen Schnurrbart verbinden und den samtigen Bronzeton seines vollen Gesichts unterstreichen.
König David wiegt sich im Takt von Polka, Walzer, Mazurka. Der würdige, backenbärtige Herr, der die Violine vom Kinn nimmt, nickt ihm erwartungsvoll zu.
Das muss der Hausherr sein, jener Herr Krupp, der sich vielfach hatte entschuldigen lassen, als man am Nachmittag seine Kanonengießerei besichtigen fuhr.
Der König winkte einem seiner Begleiter, der öffnete eine Schatulle und trat heran. Der König nahm aus dem Kästchen einen funkelnden Orden und heftete ihn dem nicht weniger strahlenden Violinisten an die Brust.
Die Sache mit dem Orden, leider ein Fauxpas. Denn als der wirkliche Herr Krupp das Haus betrat, war der Orden nicht nur einem gewöhnlichen Kaffeehausgeiger verliehen, das königliche Ziermetall war außerdem zur Neige gegangen.
Ganz vorzügliche Kanonen, Mister Krupp, lobte der König den Fabrikanten und fügte hinzu, er habe Mr. Krupps Orden schon bei einem Juwelier in Auftrag gegeben.
Eine aber hatte die Wahrheit gesehen. Isabelle im weißen Kleid, das Cello zwischen den Knien, hatte die fremde Majestät gesehen: ein wenig verloren zwischen all den bunt behangenen Schranzen, sein Gesicht, so gutmütig zwischen all den scharf und herablassend blickenden Herren der Industrie.
Und dieser Krupp war noch immer nicht da. Durfte man einen König so kränken?
Sie hatte mit dem Violinisten geflüstert, der hatte nach kurzem Zögern mit dem Bogen ein Zeichen gegeben und das Orchester mit dem Stück
Frauenherz
begonnen. Als das letzte Stück,
Dorfschwalben aus Österreich
, verklungen und noch immer kein Krupp zu sehen war, da – von wegen Versehen – hatte der König den ausgezeichnet, deres tatsächlich verdiente, den Violinisten Richard Wolkenfuß, ihren Vater. Ob Verwechslung oder Absicht, die Diplomaten des Königs hatten im August 1881 einige beschwichtigende Noten zu verfassen.
Dass die sogenannte Geigeraffäre von Essen mit dem Wiener Kaffeehausskandal in unmittelbarem Zusammenhang stand, war selbst der nächsten Umgebung des Königs wie auch der europäischen Presse verborgen geblieben. Man berichtete ausgiebig über das tänzerische Extempore des
Lustigen Königs
, das den Redakteuren eine willkommene Süßspeise war in der sommerlichen Zeit der Sauren Gurken.
Nach dem sonntäglichen Besuch der Galerie von Schloss Schönbrunn und der kaiserlichen Menagerie hatte sich Kalākaua auf dem Wiener Prater umgetan. Die Majestät, so die
Morgenpost
, zeigte sich außerordentlich beeindruckt vom Frohsinn der sich dort vergnügenden Menschen. Diese sahen gewiss ihrerseits die Begegnung mit dem exotischen Monarchen als eine zusätzliche Attraktion ihres sonntäglichen Ausflugs zu Bratwurst, Bier und Damenkapelle. So steigerte sich freundliche Neugier wechselseitig über einander zuprostende Sympathie zu händeschüttelnder Begeisterung. Diese mag den König, nach einem abendlichen Opernbesuch ins Hotel zurückgekehrt, veranlasst haben, sein Quartier zu später Stunde noch einmal zu verlassen, um das sogenannte Dritte Kaffeehaus im Prater zu besuchen.
Man berichtete später von einer unbekannten jungen Dame, die der König
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