Der Lavendelgarten
ausgebildete Agentin, deren Fähigkeiten auf Eis liegen. Schade. Aber wenn die Gestapo-Leute Sie bei mir finden sollten, habe ich es wenigstens nicht mit einer Amateurin zu tun. Besteht die Möglichkeit, dass sich ein Foto von Ihnen in ihren Akten befindet?«
»Nein. Außerdem habe ich mir die Haare gefärbt.«
»Gut. Morgen besorge ich Ihnen neue Papiere, die Sie als meine Nichte aus Grimaud ausweisen. Sie helfen mir beim Abfüllen des Weins und führen mir den Haushalt. Können Sie sich mit dieser Tarnung anfreunden?«
Connie fragte sich, wie viele falsche Namen sie in Frankreich noch erhalten würde. »Natürlich, Jacques, tun Sie, was Sie für richtig halten.«
»Sie haben Glück. Ich kann Ihnen das kleine Schlafzimmer oben neben dem meinen anbieten. Leider wird Mademoiselle Sophia nicht den gleichen Luxus genießen, weil wir sie aufgrund ihrer Blindheit nicht schnell genug verstecken könnten, wenn die Gestapo in der Nacht an die Tür klopft. Ich habe ihrem Bruder versprochen, für ihre Sicherheit zu sorgen. Dafür müssen Sie und ich alles in unserer Macht Stehende tun.«
»Ja. Ich fürchte, ich muss Ihnen noch etwas sagen … Sie ist schwanger.«
»Wie das? Von wem? Weiß Édouard das?«, rief Jacques entsetzt aus.
»Nein, und mir hat es Sophia auch noch nicht verraten. Ich weiß es von Sarah, ihrem Dienstmädchen. Und das ist noch nicht das Schlimmste.« Connie holte tief Luft. »Der Vater ist ein hochrangiger deutscher SS-Offizier.«
Jacques verschlug es die Sprache.
»Tut mir leid«, sagte Connie.
»Meine kleine Sophia … ist das zu fassen?« Jacques schüttelte den Kopf. »Und ich dachte, sie müsste sich nur vor den Deutschen in Acht nehmen. Wenn bekannt würde, dass der Vater ihres Kindes ein SS-Offizier ist, zöge sie auch noch den Zorn der Franzosen auf sich. Erst vor ein paar Wochen ist eine Frau, die mit einem Deutschen geschlafen hatte, in der Nacht aus ihrem Haus im Ort verschwunden. Ihre Leiche wurde an der Küste angeschwemmt, sie wurde erschlagen.« Jacques schüttelte den Kopf. »Madame, schlimmer hätte es nicht kommen können.«
»Ich weiß. Aber was sollen wir machen?«
»Sind Sie sicher, dass niemand sonst über ihre Liaison mit diesem Offizier und ihre Folgen Bescheid weiß?«
»Ja.«
»Gott sei Dank. Das muss auch so bleiben.«
»Vielleicht sollte ich Ihnen noch sagen, dass Édouard mir einmal gestanden hat, er möge diesen Mann und könne sich unter anderen Umständen vorstellen, mit ihm befreundet zu sein. Frederik hat uns bei der Flucht aus Paris geholfen«, erklärte Connie. »Ich halte ihn für einen guten Menschen.«
»Nein!« Jacques schüttelte heftig den Kopf. »Er ist ein Deutscher, und die schänden unser Land und unsere Frauen!«
»Ich bin grundsätzlich Ihrer Meinung, doch manchmal stimmt die Fassade nicht mit den inneren Überzeugungen überein.« Connie seufzte. »Tja, nun ist es heraus.«
»Dann darf Sophia noch weniger gesehen werden. Ich wage mir nicht vorzustellen, wie es nach dem Krieg mit ihr weitergeht«, sagte Jacques ernst und legte die Hand an die Stirn. »Sie müssen verstehen: Ich liebe sie wie mein eigen Fleisch und Blut und kann den Gedanken nicht ertragen …« Er schauderte. »Der Krieg macht uns alle zu Narren. Und nun zerstört er das Leben einer schönen jungen Frau. Es steht mir nicht zu, Aussagen über ihre Zukunft zu machen, aber als ledige Mutter wird es schwierig für sie. Wir können nur hoffen, dass Édouard seinen Verfolgern entkommt und die Zügel von Sophias Leben wieder in die Hand nimmt. Bis dahin müssen wir beide sie beschützen.«
Später am Abend führte Jacques Sophia wieder in die cave mit den riesigen russischen Eichenfässern, die sechs Meter hoch über Connie aufragten.
Jacques blieb vor einem Fass am hinteren Ende der cave stehen, kletterte eine kleine Leiter an der Vorderseite hoch und stieg hinein. Sophia und Connie hörten, wie im Innern Bretter entfernt wurden. Nach einer Weile streckte Jacques den Kopf heraus.
»Es wird nicht ganz leicht für Sie sein hineinzuklettern, Mademoiselle Sophia, aber keine Angst, ich helfe Ihnen. Madame Constance, würden Sie sie bitte stützen und ihr dann folgen?«
»Wir steigen in das Weinfass?«, fragte Sophia verwirrt. »Ich muss mich doch nicht etwa in den kommenden Wochen da drin verstecken, oder?«
»Nimm Jacques’ Hand, damit er dir über den Rand helfen kann«, wies Connie sie an.
»Und jetzt Sie, Madame Constance«, hallte Jacques’ Stimme aus dem Fass
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