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Der Lavendelgarten

Der Lavendelgarten

Titel: Der Lavendelgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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trägt.
    Sebastian hatte sie wie der Mistral hinweggefegt. War sie ihm gegenüber jemals sie selbst gewesen? Ihr wurde bewusst, dass sie den größten Teil des Jahres versucht hatte, ihm alles recht zu machen, weil sie so dankbar für ihn und seine Zuneigung war. Es hatte viele Momente gegeben, in denen sie ihm hätte widersprechen sollen, doch Sebastian hielt von Anfang an das Heft in der Hand. Sie hatten immer gemacht, was er wollte, und sie hatte sich seinem Willen gebeugt und ihm alles geglaubt.
    Nein, dachte Emilie, das war keine Liebe.
    Emilie fragte sich, ob der Brandy schuld war, dass sie Alex erzählt hatte, was ihr in der Jugend von ihrer Mutter angetan worden war.
    Inzwischen empfand sie ihre jahrelangen Versuche, das mangelnde Interesse ihrer Mutter auszublenden, als surreal. Sie hatte zugelassen, dass ihre Verbitterung wuchs und ihr Vertrauen in andere Menschen erstickte. Doch in den vergangenen Wochen hatte Alex ihr gezeigt, dass es sinnlos war zu hassen oder im Zorn zurückzublicken. Das schadete einem nur selbst.
    Wie klug und liebenswert Alex war! Emilie rief sich ins Gedächtnis, wie sie sich in seinen Armen ausgeweint hatte. Das war angenehm und tröstlich gewesen. Wieso hatte sie es ihm erzählen können, nicht aber ihrem Mann?
    Emilie ermahnte sich, die englische Episode ein für alle Mal zu beenden. Sie musste versuchen zu vergeben, zu vergessen und sich der Zukunft zuzuwenden.
    »Emilie? Lange nicht gesehen!«, begrüßte Jean sie in der cave .
    »Ich habe es einfach nicht länger ohne euch ausgehalten«, erwiderte sie spöttisch und merkte, dass jemand sie von dem Tisch aus musterte, an dem gewöhnlich Jacques saß.
    »Hallo, Anton. Verdienst du dir ein paar Centimes für Bücher?«
    »Anton bleibt die nächsten Tage bei uns, weil seine Maman im Krankenhaus ist«, erklärte Jean.
    »Margaux? Ich wusste gar nicht, dass sie krank ist. Was fehlt ihr denn?«, fragte Emilie besorgt.
    »Keine Sorge, sie erholt sich wieder.« Jean bedachte sie mit einem warnenden Blick. »In der Zwischenzeit bringe ich Anton alles über Wein bei. Papa sitzt im Garten. Wollen Sie ihn nicht begrüßen? Ich komme gleich nach.«
    Jacques wirkte weit weniger müde als noch zwei Tage zuvor, begrüßte sie mit einem Lächeln und streckte ihr die knotige Hand entgegen.
    »Ich dachte mir schon, dass Sie bald wiederkommen. Ich frage nicht, warum, aber wenn Sie es mir erzählen wollen, höre ich es mir gern an.«
    »Danke, Jacques.« Sie nahm an dem kleinen Tisch neben ihm Platz. »Was ist los mit Margaux?«
    »Ist der Junge bei Jean in der cave ?«
    »Ja.«
    »Dann kann ich es ja sagen. Sie ist sehr krank, wahrscheinlich schon länger. Letzte Woche hat sie sich über Bauch- und Rückenschmerzen beklagt und ist am Tag Ihrer Abreise zum Arzt gegangen. Der hat sie sofort ins Krankenhaus eingewiesen, wo Eierstockkrebs im fortgeschrittenen Stadium festgestellt wurde. Sie wird heute operiert; die Aussichten sind sehr schlecht. Der Junge weiß das alles nicht.«
    »Nein, Jacques!«, rief Emilie aus. »Nicht Margaux! Sie war wie eine Mutter für mich, als ich nach dem Tod meines Vaters hierhergekommen bin.«
    »Ja, sie ist ein guter Mensch. Wir dürfen die Hoffnung noch nicht aufgeben.«
    »Ich besuche sie in den nächsten Tagen im Krankenhaus«, versprach sie.
    »Darüber freut sie sich bestimmt. Und Sie, Emilie? Wie sehen Ihre Pläne aus?«
    »Im Moment habe ich keine Ahnung«, antwortete Emilie und schüttelte traurig den Kopf.
    In den folgenden Tagen schlief und aß Emilie, überwachte die Renovierungsarbeiten und fuhr mit Anton nach Nizza, um seine Mutter im Krankenhaus zu besuchen. Die Operation hatte nichts genützt, Margaux ging es sehr schlecht.
    Als Anton im Bett lag – er schlief fürs Erste auf einer Matratze in dem winzigen Arbeitszimmer unten –, besprachen Emilie, Jean und Jacques, was mit ihm geschehen würde, wenn seine Mutter sich nicht mehr erholte.
    »Sein Vater ist tot. Was ist mit seinen anderen Verwandten?«, fragte Jean.
    »Ich glaube, es gibt eine Tante in Grasse«, antwortete Jacques. »Die sollten wir informieren.«
    »Ich bin der Patenonkel des Jungen«, meinte Jean. »Vielleicht sollten wir ihm anbieten, bei uns zu bleiben?«
    »Vorübergehend ginge das, aber Jungen brauchen eine Frau, die sich um sie kümmert«, widersprach Jacques. »Hier sind nur Männer.«
    »Anton ist fast dreizehn. Wahrscheinlich hat er selbst Vorstellungen über sein weiteres Leben«, meinte Jean.
    »Apropos weiteres Leben«,

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