Der Lavendelgarten
sollte mir den Keller selbst anschauen.«
»Keine Sorge, ich beschütze Sie«, meinte er grinsend, als sie den Vorraum betraten. »Diese Tür?«
»Ja, ich glaube schon.«
Sebastian zog die rostigen Riegel zurück. Er hatte Mühe, den Schlüssel im Schloss zu drehen. »Die Tür ist seit Jahren nicht mehr aufgemacht worden, weswegen ich bezweifle, dass sich jemand da unten versteckt hält.« Nachdem es ihm gelungen war, die Tür zu öffnen, suchte er nach einem Lichtschalter und ertastete einen groben Strick über seinem Kopf. Als er daran zog, drang von unten ein Lichtschimmer herauf. »Ich gehe voran.«
Emilie folgte Sebastian zögernd in den kühlen Raum mit niedriger Decke und abgestandener, feuchter Luft.
»Wow!«, rief Sebastian aus, als sein Blick auf die Weinregale fiel, die bis obenhin mit verstaubten Flaschen gefüllt waren. Er zog eine heraus, wischte das Etikett ab und las vor: » Château Lafite-Rothschild 1949 . Ich bin ja kein Weinkenner, aber das hier könnte der Traum eines Weinhändlers sein. Oder …«, er legte die Flasche achselzuckend zurück, »… sie sind alle ungenießbar.«
Sie gingen im Keller herum, zogen Flaschen heraus und begutachteten sie.
»Ich finde keine einzige Flasche nach 1969. Sie?«, fragte Sebastian. »Sieht aus, als hätte sich danach niemand mehr die Mühe gemacht weiterzusammeln. Moment …«
Sebastian stellte die zwei Flaschen, die er in der Hand hielt, auf den Boden und zog weitere heraus. »Da ist etwas hinter diesem Regal. Eine Tür.«
Emilie lugte durch das Regal. »Wahrscheinlich führt sie zu einem ungenutzten Bereich des Kellers«, erklärte sie hastig, weil sie so schnell wie möglich wieder nach oben wollte.
»Ja, ein Haus wie dieses ist mit Sicherheit weitläufig unterkellert. Aha …« Sebastian entfernte die letzte Flasche und stellte das wacklige Weinregal in die Mitte des Raums. »Es ist tatsächlich eine Tür.« Er wischte die Spinnweben beiseite und drückte die Klinke herunter. Die Tür öffnete sich nur schwer, weil der Rahmen sich in der feuchten Luft verzogen hatte. »Soll ich nachschauen, was sich da drin verbirgt?«
»Ich …« Emilie zögerte. »Wahrscheinlich ist der Raum leer.«
»Das werden wir sehen«, sagte Sebastian und zog mit aller Kraft an der Tür, um sie vollends zu öffnen, tastete wieder nach einem Lichtschalter, fand jedoch keinen.
»Warten Sie hier«, wies er Emilie an. »Von irgendwoher scheint Licht zu kommen …« Sebastian verschwand in der Dunkelheit. »Ja, hier ist ein kleines Fenster. Aua! Ich hab mir das Schienbein angestoßen.« Er kehrte zu Emilie zurück. »Haben Sie irgendwo eine Taschenlampe?«
»Ich schaue oben in der Küche nach.« Emilie hastete, dankbar, aus dem Keller herauszukommen, zur Treppe.
»Wenn es keine Taschenlampe gibt, bringen Sie bitte eine oder zwei Kerzen mit«, rief er ihr nach.
Die Taschenlampe, die sie fand, hatte leider keine Batterien. Also holte sie eine alte Schachtel mit Kerzen und Streichhölzer aus der Vorratskammer, atmete tief durch und kehrte in den Keller zurück.
»Hier«, rief sie. Sebastian nahm zwei der Kerzen aus der Box und hielt sie so, dass Emilie sie anzünden konnte. Dann reichte er ihr eine und wandte sich erneut dem dunklen Raum zu. Emilie folgte ihm widerwillig.
Als der kleine Raum vom schaurigen Schein ihrer Kerzen erhellt wurde, verschlug es ihnen die Sprache.
»Bitte korrigieren Sie mich, falls ich mir Dinge einbilden sollte, aber es sieht mir ganz so aus, als hätte einmal jemand hier gewohnt«, sagte Sebastian schließlich. »Die Pritsche da drüben mit dem Tischchen daneben, der Stuhl beim Fenster, so nahe wie möglich beim Licht, die Kommode …« Er hielt die Kerze näher hin. »Auf der Matratze liegt sogar noch eine Decke.«
»Ja«, pflichtete Emilie ihm bei, als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. »Und eine Matte auf dem Boden. Aber wer würde hier unten leben wollen?«
»Ein Bediensteter vielleicht?«, mutmaßte Sebastian.
»Unsere Bediensteten hatten Zimmer im Speicher. Meine Familie wäre nie so grausam gewesen, Personal in einem solchen Raum unterzubringen.«
»Nein, natürlich nicht. Schauen Sie, da drüben ist eine weitere kleine Tür.«
Er ging hin und öffnete sie. »Ich würde sagen, das war der Waschbereich. An der Wand befindet sich ein Wasserhahn und auf dem Boden darunter ein großes Emailwaschbecken. Und ein Nachtstuhl.« Beim Heraustreten senkte er vorsichtig den Kopf. »Der Raum wurde eindeutig von jemandem
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