Der Lavendelgarten
schwer verletzt und muss sofort zum Tierarzt. Sie liegt auf dem Rücksitz meines Wagens. Kommen Sie.«
Entsetzt rannte Emilie mit Sebastian hinaus zu seinem Wagen und setzte sich neben die blutende, flach atmende Frou-Frou. Sebastian raste zu dem Tierarzt im etwa zehn Minuten entfernten La Croix-Valmer, von dem Emilie ihm erzählt hatte. Emilie liefen die Tränen übers Gesicht, als sie die reglose Frou-Frou auf ihrem Schoß streichelte.
»Ich hab sie heute Morgen rausgelassen«, schluchzte sie. »Dann ist der Mann vom Schlüsseldienst gekommen, und ich habe vergessen, sie wieder reinzurufen. Sonst treibt sie sich nicht draußen herum, aber vielleicht ist sie Ihrem Wagen nachgelaufen … und auf der Straße … Sie ist so gut wie blind … Mein Gott! Wie konnte ich sie nur vergessen?«
»Emilie, versuchen Sie, ruhig zu bleiben. Möglicherweise kann der Tierarzt sie noch retten«, bemühte Sebastian, sie zu trösten.
Doch ein Blick in das ernste Gesicht des Tierarztes bestätigte das, was Emilie aufgrund ihrer Berufserfahrung bereits wusste.
»Tut mir leid, Mademoiselle, sie hat schwere innere Verletzungen. Wir könnten sie operieren, aber sie ist alt und schwach. Wahrscheinlich ist es das Beste, wenn wir ihr helfen, sanft einzuschlafen. Das würden Sie jemandem, der zu Ihnen in die Praxis kommt, doch vermutlich auch raten«, sagte er mit sanfter Stimme.
»Ja.« Emilie nickte traurig.
Zwanzig Minuten später, nachdem Emilie Frou-Frou einen Kuss aufs Fell gedrückt, der Tierarzt ihr eine Spritze gegeben und ihr kleiner Körper ein letztes Mal gezuckt hatte, verließ Emilie mit wackligen Knien, gestützt von Sebastian, die Praxis.
»Meine Mutter hat sie geliebt, und ich hatte ihr versprochen, auf sie aufzupassen …«
»Kommen Sie, meine Liebe, ich bringe Sie nach Hause«, sagte Sebastian, als er sie zum Wagen führte.
Während der Fahrt saß Emilie wie gelähmt vor Trauer und Schuldgefühlen neben ihm auf dem Beifahrersitz. Im Château gingen sie in die Küche, wo sie sich an den Tisch setzte und in ihrer Verzweiflung den Kopf auf die Unterarme legte.
»Ich schaffe es nicht mal, mich um einen kleinen Hund zu kümmern! Ich bin ein hoffnungsloser Fall. Meine Mutter hatte schon recht. Ich mache nichts richtig, überhaupt nichts. Und das als Letzte eines großen Geschlechts! So viele Helden in der Familie, darunter auch mein Vater, und nun ich … Ich tauge zu nichts!«
Emilie schluchzte, den Kopf in den Armen vergraben, wie ein Kind.
Als sie den Blick schließlich hob, sah sie, dass Sebastian am Tisch saß und sie betrachtete.
»Bitte«, rief sie, peinlich berührt über ihren Ausbruch, aus. »Entschuldigen Sie, ich bin völlig durcheinander! Wie immer«, presste sie hervor.
Sebastian erhob sich, ging neben ihr in die Hocke und reichte ihr ein Taschentuch. »Emilie, das Bild, das Sie von sich selbst haben und das sich offenbar an dem Ihrer Mutter von Ihnen orientiert, ist vollkommen falsch.« Er schob ihr eine Haarlocke hinters Ohr. »Obwohl ich Sie noch nicht lange kenne, halte ich Sie für eine mutige, starke und intelligente Frau. Und für eine schöne obendrein.«
»Schön!«, wiederholte Emilie spöttisch. »Sebastian, ich weiß es zu schätzen, dass Sie mich aufmuntern wollen, aber so offensichtliche Lügen empfinde ich als herablassend. Ich bin nicht ›schön‹!«
»Das hat Ihnen vermutlich auch Ihre Mutter eingeredet, oder?«
»Ja, und es stimmt«, erklärte sie mit Nachdruck.
»Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen widerspreche. Ich habe Sie vom ersten Moment an attraktiv gefunden. Und was den Punkt ›Versagerin‹ angeht: Einen solchen Unsinn habe ich selten gehört. Nach allem, was ich bisher weiß, haben Sie Aufgaben, die andere Menschen in die Verzweiflung getrieben hätten, mit Bravour und praktisch allein bewältigt. Emilie, egal, was Ihre Mutter von Ihnen gehalten haben mag: Sie dürfen sich nicht mit ihren Augen sehen. Denn sie hat sich getäuscht. Sogar sehr. Jetzt, wo es sie nicht mehr gibt, ist es an Ihnen, sich zu bewähren. Sie kann Ihnen nichts mehr anhaben.« Sebastian zog sie an sich, und sie weinte sich an seiner Schulter aus. »Alles wird gut. Ich bin da, wenn Sie mich brauchen.«
Sie hob den Blick. »Sie kennen mich doch gar nicht!«
Sebastian schmunzelte. »Die letzten Tage waren ziemlich dramatisch. Wenn ich Sie in Paris kennengelernt hätte und wir einfach nur ein paarmal zum Essen ausgegangen wären, dürfte ich mir vermutlich kein solches Urteil erlauben. Aber
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