Der Lavendelgarten
angesichts deines Benehmens nicht. Ich habe keine Ahnung, wo ich bei dem Wetter einen Ersatz auftreiben soll.«
»Wie du weißt, bin ich nicht völlig bewegungsunfähig, Seb«, erwiderte Alex. »Ich kann allein essen, mich anziehen, mich waschen und mir den Hintern abwischen. Ich schaffe es sogar, mich am Abend selber ins Bett zu hieven. Und ich habe dir schon soundso oft gesagt, dass ich keine Vollzeitpflegekraft mehr brauche, nur jemanden, der mir im Haushalt hilft.«
»Das stimmt nicht«, widersprach Sebastian verärgert.
»Doch.« Alex wandte sich Emilie zu. »Er behandelt mich wie einen Zweijährigen.« Er deutete auf seinen Rollstuhl. »In dem Ding kann ich ja wohl kaum großen Unfug anstellen, oder?«
Emilie kam sich vor wie eine Zuschauerin bei einem Boxkampf.
»Das trau ich dir trotzdem zu«, konterte Sebastian. »Jedenfalls wirst du in den nächsten Tagen sowieso allein zurechtkommen müssen, weil ich so schnell niemanden für dich finde.«
»Mir macht das nichts aus«, erklärte Alex. »Ich hab dir gesagt, dass die Pflegerinnen Geldverschwendung sind, aber du hörst ja nicht zu. Jetzt lasse ich euch zwei mal lieber allein.« Er lenkte seinen Rollstuhl zur Tür, wo er sich lächelnd zu Emilie umwandte. »Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen. Willkommen in Blackmoor Hall.«
Als die Tür sich hinter ihm schloss, senkte sich Stille über den Raum. Sebastian nahm eines der Gläser und leerte es in einem Zug. »Sorry, Emilie. Wahrscheinlich fragst du dich, wo ich dich hingebracht habe. Er ist ein Albtraum, und ich bin mit meinem Latein am Ende.«
»Das verstehe ich. Mach dir bitte meinetwegen keine Gedanken. Ich helfe dir, so gut ich kann.«
»Das ist lieb von dir, aber im Moment fehlen mir die Ideen. Möchtest du das?« Er deutete auf das andere Whiskyglas.
»Nein, danke.«
Sebastian leerte auch das zweite Glas. »Wir sollten offen miteinander reden, Emilie. Ich habe wirklich das Gefühl, dass ich dich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen geheiratet habe. Hier herrscht das absolute Chaos. Wenn du beschließen solltest zu gehen, könnte ich dir das nicht verübeln.« Er sank neben sie aufs Sofa und nahm ihre Hand. »Es tut mir leid.«
»Sebastian, mir wird allmählich bewusst, dass dein Leben nicht so klar strukturiert ist, wie ich dachte«, pflichtete Emilie ihm bei, »doch ich habe dich geheiratet, weil ich dich liebe. Ich bin deine Frau und teile deine Probleme mit dir.«
»Du weißt noch nicht alles«, stöhnte Sebastian.
»Dann sag es mir.«
»Okay.« Er seufzte. »Ich bin pleite. Beim Tod von Oma war nicht mehr viel Geld übrig, aber ich hatte gehofft, dass ich, wenn mein Geschäft erst einmal aufgebaut wäre, dieses Haus renovieren könnte. Dann hatte Alex vor zwei Jahren den Unfall, und die Kosten für seine Pflege haben das letzte Geld aufgefressen. Ich habe Blackmoore Hall beliehen und schaffe kaum die Hypothekenzahlungen. Von der Bank bekomme ich nichts mehr. Der Öltank ist deshalb nicht voll, weil ich kein Geld dafür habe. Es sieht aus, als müsste ich Blackmoor Hall verkaufen. Falls Alex zustimmt. Die Hälfte gehört ihm, und er will hier nicht weg.«
»Sebastian, ich weiß, wie schrecklich es sein kann, wenn man das Familienanwesen veräußern muss. Aber es klingt, als bliebe dir keine andere Wahl. Und Alex auch nicht.«
»Du hast recht. Doch – und das ist der Punkt – bevor wir uns begegnet sind, hatte mein Geschäft gerade angefangen, Geld abzuwerfen. Ich habe ein paar gute Entscheidungen getroffen, und das Ganze hat sich positiv entwickelt. Egal, wahrscheinlich spielt alles, was ich gerade gesagt habe, keine Rolle mehr. Ich rede über Punkt B, bin im Moment jedoch an Punkt A und weiß nicht, wie ich vom einen zum anderen gelangen soll.« Er zuckte mit den Achseln. »Sosehr ich mir das wünsche: Ich weiß nicht, wie ich dieses Haus halten soll. Was ich mit unserem Mitbewohner mache, ist eine andere Frage. Er wird sich mit Zähnen und Klauen wehren, Blackmoor Hall zu verlassen, und es gehört uns beiden zu gleichen Teilen. Wie du dir vermutlich vorstellen kannst, sind alternative Unterbringungsmöglichkeiten für jemanden wie Alex beschränkt.«
»Du würdest ihn doch nicht im Stich lassen, oder?«, fragte Emilie.
»Natürlich nicht, Emilie!« Plötzlich flackerte Sebastians Zorn wieder auf. »Wofür hältst du mich? Wie du weißt, nehme ich meine Pflichten sehr ernst.«
»Ja«, bestätigte Emilie hastig. »So war’s nicht gemeint. Ich frage mich nur, wo er
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