Der Lavendelgarten
gekommen bist, Constance. In den letzten Wochen haben wir nicht viel Zeit miteinander verbracht. Du hast mir gefehlt.«
»Jetzt bin ich ja da«, tröstete sie sie.
»Ach, Constance.« Sophia biss sich auf die Lippe. »Frederik hat mir gesagt, dass er bald nach Deutschland zurückmuss. Wie soll ich das ertragen?« Ihre Augen wurden feucht.
»Es muss sein.« Connie drückte Sophias Hand. »Genau wie ich es ohne Lawrence aushalten muss.«
»Ich weiß, du hältst mich für naiv und glaubst, ich hätte keine Ahnung von der Liebe. Du meinst, ich würde schon über Frederik hinwegkommen, weil unsere Liebe keine Zukunft hat. Aber ich bin eine erwachsene Frau und kenne meine Gefühle.«
»Ich versuche nur, dich zu schützen, Sophia«, erklärte Connie. »Ich kann verstehen, wie schwierig alles für dich ist.«
»Constance, ich weiß, dass Frederik und ich zusammen sein werden. Das spüre ich hier drinnen.« Sophia legte eine Hand auf ihr Herz. »Frederik sagt, er wird eine Möglichkeit finden, und ich glaube ihm.«
Connie seufzte. Verglichen mit den Millionen von Toten in den vergangenen vier Jahren konnte man Sophias Romanze durchaus als trivial erachten. Aber Sophia selbst empfand das natürlich anders.
»Wenn Frederik sagt, er findet eine Möglichkeit, schafft er das auch«, tröstete Connie sie, obwohl sie insgeheim hoffte, dass sich das Problem von selbst lösen würde.
In den folgenden Wochen ertönten in den Nächten immer wieder Sirenen, und die Pariser flüchteten in den Untergrund. Connie hörte von Angriffen der britischen Luftwaffe auf die Fabriken von Peugeot und Michelin außerhalb von Paris. Zu Hause in England hätte sie sich über diese Nachricht gefreut, doch hier konnte sie nur an die vielen französischen Arbeiter denken, die dabei umgekommen waren.
Bei ihrem täglichen Spaziergang in den Tuilerien spürte Connie fast den schwächer werdenden Herzschlag der Stadt und ihrer Bewohner, die allmählich die Hoffnung verloren, dass der Krieg jemals enden würde. Die versprochene Invasion der Alliierten ließ auf sich warten, und auch Connie begann sich zu fragen, ob sie je stattfinden würde.
Als sie sich im aufziehenden Abendnebel auf dieselbe Bank wie immer setzte, sah Connie Venetia sich ihr nähern.
Sie spielten die übliche Farce einer höflichen Begrüßung durch, bevor Venetia neben Connie Platz nahm. Venetia trug ihre »Reiche-Frau-Uniform«, hatte sich diesmal aber nicht die Mühe gemacht, Make-up aufzulegen. Ihre Haut war durchscheinend blass, ihr Gesicht schrecklich schmal.
»Danke, dass ich in den Keller durfte. Hat mir sehr geholfen.« Venetia nahm eine Gauloise aus der Tasche. »Zigarette?«
»Nein, danke.«
»Ich lebe praktisch von den verdammten Dingern. Die lindern den Hunger«, erklärte Venetia und zündete sich eine an.
»Brauchst du Geld für Lebensmittel?«, erkundigte sich Connie.
»Nein, danke. Viel mehr macht mir zu schaffen, dass ich ständig auf der Flucht bin, damit die Deutschen mein Signal nicht auffangen. Da bleibt wenig Zeit, in Ruhe zu essen.«
»Wie läuft’s sonst?«, fragte Connie.
»Geht so.« Venetia nahm einen tiefen Zug an ihrer Zigarette. »Ein Schritt vorwärts, zwei zurück. Wenigstens sind unsere Agenten ein bisschen organisierter als bei meiner Ankunft im Sommer. Aber wir können immer Unterstützung gebrauchen. Mir ist da ein Gedanke gekommen: Wahrscheinlich ist es egal, dass du nicht offiziell im Einsatz bist. Die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, könnten dir, denke ich, helfen, Frankreich zu verlassen.«
»Meinst du wirklich?«, fragte Connie erfreut. »Venetia, ich weiß, dass mein Leben verglichen mit deinem ein Spaziergang ist, würde jedoch alles tun, um England und dieses Haus zu verlassen.«
»Ich habe meinem Netzwerk bereits mitgeteilt, dass du mir unter die Arme gegriffen hast. Komm doch zu unserem nächsten Treffen. Ich kann dir nichts versprechen, und es besteht auch immer das Risiko, dass sich ein Verräter in unseren Reihen befindet, aber eine Hand wäscht die andere. Außerdem sind wir befreundet. Du tust mir leid, weil du in dem Haus eingesperrt bist und diesen Schweinen Gesellschaft leisten musst.«
Als Venetia lächelte, flackerte hinter ihrer Erschöpfung etwas von ihrer früheren Attraktivität auf.
»Der Mann, bei dem du wohnst, dürfte übrigens ein ziemlich hohes Tier in der Résistance sein. Angeblich gibt es in Paris einen sehr wohlhabenden Herrn, der gleich nach Moulin, dem allseits verehrten Kopf der
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