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Der Lavendelgarten

Der Lavendelgarten

Titel: Der Lavendelgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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die Zeit genommen hat, mir mit der Bibliothek zu helfen«, presste sie hervor.
    »Ich weiß, dass er Ihnen in einer schwierigen Zeit beigestanden ist.«
    »Ja, allerdings.« Emilie wechselte das Thema. »Ich wollte Ihnen etwas zeigen, das ich in dem Haus in Yorkshire entdeckt habe.« Sie nahm den Umschlag mit den Gedichten heraus, den Alex ihr gegeben hatte. »Sie stammen von meiner Tante Sophia de la Martinières. Jacques hat letztes Mal erwähnt, dass sie Gedichte geschrieben hat.« Als sie Jean die Gedichte reichte, öffnete Jacques ein Auge.
    »Rührend …«, murmelte Jean, als er sie las. »Papa, möchtest du einen Blick darauf werfen?«
    »Ja.« Jacques, der doch nicht ganz so taub zu sein schien, hatte inzwischen beide Augen geöffnet und nahm die Seiten mit zitternden Händen. Beim Lesen kamen ihm die Tränen.
    »Sie war so schön … und hat ein so tragisches Ende gefunden … Ich …« Jacques schüttelte bewegt den Kopf.
    »Jacques, können Sie mir sagen, wie sie gestorben ist?«, fragte Emilie. »Warum mein Vater nie über sie gesprochen hat? Und warum Constance diese Gedichte in ihrem Haus in Yorkshire aufbewahrte?«
    »Emilie …« Jean legte ihr sanft die Hand auf den Arm. »Die Lektüre scheint Papa ziemlich mitgenommen zu haben. Wollen wir zuerst essen und Papa Zeit geben, seine Gedanken zu ordnen?«
    »Natürlich. Entschuldigung, Jacques. Ich möchte nur so viel wie möglich über meine Familie erfahren.«
    »Zuerst essen wir«, sagte Jacques, als Jean ihm seinen Gehstock reichte und ihm aufhalf.
    Beim Essen war Jacques sehr schweigsam. Jean lenkte das Gespräch bewusst auf das Weingut und seine Pläne für die Modernisierung und Expansion.
    »Mit den richtigen Investitionen können wir innerhalb von fünf Jahren Profit erwirtschaften. Es würde mich sehr freuen, wenn ich endlich in der Lage wäre, einen positiven Beitrag zu leisten.«
    Als Emilie seinen begeisterten Ausführungen lauschte, wurde ihr bewusst, wie attraktiv er nach wie vor war. Mit seiner glatten, auch nach einem langen Winter noch haselnussbraunen Haut und seinen kastanienbraunen Haaren, die sein Gesicht wellig umrahmten, wirkte er jünger als neununddreißig Jahre. Als Teenager hatte sie eine Weile für ihn geschwärmt.
    Als sie Jean beim Abräumen des Geschirrs half, gähnte Jacques.
    »Papa, soll ich dir ins Bett helfen?«
    »Nein!«, sagte Jacques mit Nachdruck. »Ich will jetzt nicht schlafen. Jean, hol den Armagnac. Ich werde versuchen, Emilie mehr von dem zu berichten, was ich weiß.« Jacques gab ein Geräusch von sich, das irgendwo zwischen einem Ächzen und einem Kichern lag. »Seit Ihrem letzten Aufenthalt hier überlege ich, ob der Rest der Geschichte mit mir ins Grab gehen soll. Aber …«, er zuckte mit den Achseln, »… wie soll man die Gegenwart verstehen, wenn man nichts über die Vergangenheit weiß?«
    »Das beginne ich gerade zu begreifen«, pflichtete Emilie ihm bei. »Wie Sie sich bestimmt erinnern, haben Sie mir von Constances erster Zeit in Paris erzählt. Sie hatte sich gerade mit Venetia getroffen und sich bereit erklärt, ihr zu helfen …«

Mein Bruder
    Dein starker Arm schützt mich,
    Liegt um meine Schulter, führt mich.
    Du sorgst für mich und liebst mich.
    Siehst du mich, siehst du mich?
    Rätselhaft, stark und unerschütterlich,
    Beugst du dich über mich
    Und liest ein Buch für dich.
    Siehst du mich, siehst du mich?
    Licht umstrahlet dich,
    In deinem sichern Schatten beweg ich mich
    Und entwickle mich.
    Siehst du mich, siehst du mich?
    Eines Tages verlässt du mich
    Für ein neues Leben und ahnst doch nicht
    meine große Liebe für dich.
    Sahst du mich, sahst du mich?
    Sophia de la Martinières,
1932, vierzehn Jahre

21
    Paris, 1943
    Zwei Tage später kam Édouard erschöpft aus dem Süden zurück und teilte Connie, bevor er sich in sein Zimmer zurückzog, mit, dass sie am Abend Gäste haben würden. Sie solle sich um halb sieben im Salon einfinden.
    Connie fragte sich, um welche Gäste es sich diesmal handeln würde – und schickte ein stummes Gebet zum Himmel, dass es nicht Falk und Frederik wären, weil sie sich erst allmählich von der Aufregung der Nacht, in der Venetia vom Keller aus gefunkt hatte und Frederik unangekündigt bei ihnen aufgetaucht war, erholte.
    Als Sarah am folgenden Morgen zum Einkaufen gegangen war, hatte Connie den Keller wieder verschließen wollen, jedoch den Schlüssel weder im Haus noch draußen gefunden. Immerhin hatte Venetia keine Spuren hinterlassen – kein

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