Der Leberwurst-Mörder
Ersatzmama und bin sogar ein bisschen stolz, dass sie so viel Zutrauen zu mir haben. Sie wissen eben nicht, dass ich eigentlich eine gefürchtete Katzenjägerin bin.
Nach dem Gewitter hat sich die Luft sehr abgekühlt und die Wiese riecht ganz anders als vorher. Schnell drehe ich noch ein paar Runden und sammele Dufteindrücke, bevor wir wieder nach Hause fahren. Heute Abend geht es ausnahmsweise nicht mit dem Zug zurück, sondern mit Mara im Auto, weil wir erneut versuchen wollen, mit Liane zu reden.
Mara parkt wieder vor der Metzgerei. Sie weiß ja nicht, welcher Folter sie mich damit aussetzt. Auch wenn der Metzgerladen heute geschlossen ist, strömen die verlockenden Düfte doch von allen Seiten wie unsichtbare Geister auf meine empfindliche Hundenase ein. Ich kann jeden einzelnen Metzgerladen unserer Stadt am Duft erkennen und unterscheiden! Bei diesem, Metzger Krumm, überwiegt das betörende Aroma von Leberwurst und frischen Wienern. Doch bevor ich zu sehr ins Schnüffeln und Schwärmen gerate, sind wir glücklicherweise flotten Schrittes auf dem Weg zur Turmstraße. Wir müssen dafür nur um zwei Straßenecken laufen.
Die Galerie ist, wie der Metzgerladen, am Sonntagabend geschlossen. Wir steigen die schmale Treppe empor bis ins Dachgeschoss. In der zweiten Etage stupst Jule Mara an und deutet auf ein Türschild.
»Karoline Kossmehl«, liest Mara laut vor.
Aha. Dort muss die freundliche alte Dame wohnen. Jule und Mara wollen ihr auf dem Rückweg den versprochenen Besuch abstatten. Im Treppenhaus riecht es heute natürlich wieder nach Katze. Aber irgendwie hab ich auch immer noch den leckeren Leberwurstgeruch vom Metzger Krumm in der Nase.
»Schau mal.« Mara deutet auf Lianes Wohnungstür. »Die ist nur angelehnt.«
»Gutes Zeichen«, antwortet Jule, »dann ist sie da, und wir können endlich mit ihr reden.«
Entschlossen drückt sie auf den Klingelknopf, während ich meine Nase bereits in den Türspalt zwänge und eifrig schnüffele, was uns dahinter wohl erwarten mag. Mir springt ein buntes Durcheinander von Gerüchen in die Nase: Katze, verbrauchte Luft, Haarspray, Metzger Krumms Leberwurst und ... und?
Aufgeregt bewege ich meine Schnüffelnase hin und her, und dann passieren mehrere Dinge gleichzeitig.
Da niemand öffnet, drückt Mara langsam die Tür auf. Jule macht einen vorsichtigen Schritt in die Wohnung und schreit entsetzt auf.
Und mir fällt ein, was für ein Geruch das ist, der hier ebenfalls in der Luft hängt und umso stärker wird, je mehr die Tür sich öffnet. So riecht der Tod.
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Kapitel 4
Tatort
Gleich hinter der Wohnungstür gibt es einen kleinen Flur, an den sich direkt die Küche anschließt, wie man von hier aus sehen kann. Das Küchenfenster ist geschlossen, die Luft in der Wohnung stickig. Mit dem Oberkörper im Flur und den Füßen in der Küche liegt ein Mensch am Boden. Die Füße stecken in Turnschuhen, der Körper ist mit einem weiten grauen Jogginganzug bekleidet. Es sieht aus, als wäre dieser Mensch gerade vom Sport gekommen. Oder, besser gesagt, diese Frau. Denn den wilden roten Locken nach zu urteilen, muss es Liane sein. Jule und Mara stürzen sofort zu ihr hin, beugen sich hinab und rufen: »Liane? Hallo, geht es Ihnen nicht gut?«
Traurig beobachte ich die Szene und knurre leise vor mich hin. Die beiden brauchen sich keine Mühe mehr zu geben, Liane ist tot, mausetot sozusagen. Nur können Menschen das so früh noch nicht riechen, sondern erst später, wenn die Verwesung einsetzt.
Während Jule und Mara Liane vorsichtig vom Rücken auf die Seite drehen, nähere auch ich mich und schnüffele an der Leiche. Sie kann noch nicht lange tot sein, denn sie ist noch warm. Und da ist er ganz deutlich, der Leberwurstgeruch vom Metzger Krumm!
Aufgeregt belle ich diese wichtige Erkenntnis Jule zu, doch sie versteht mich nicht und ruft nur tadelnd: »Rika. Aus!«
Mara deutet auf Lianes Hals und sieht Jule mit weit aufgerissenen Augen an. »Das sind Würgemale, oder?« Maras Hand tastet vorsichtig Lianes Hals ab. »Ist sie etwa ... tot? Kein Pulsschlag zu spüren. Wir sollten ganz schnell Polizei und Notarzt rufen.«
Jule ist kreidebleich, dennoch hat sie bereits ihr Handy in der Hand und tippt mit zitternden Fingern die 110.
Weil sie telefoniert und die ebenso erschrockene Mara dicht neben ihr steht und zuhört, bin ich wohl die Einzige, die das leise Maunzen hört, das aus der Küche kommt.
Ich belle leise, als Jule mit Telefonieren
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