Der Leberwurst-Mörder
Mordfall dabei zu sein. Solche Sachen kenne ich bisher nur aus dem Fernsehen, wenn Jule und ich am Sonntagabend
Tatort
schauen. Hoppla, jetzt ist es Sonntagabend!
Tatort
live! Ich kann nicht anders, ich muss vor lauter Aufregung einmal kurz bellen. Oh je, jetzt hab ich mich verraten ...
»Was macht denn, verdammt noch mal, ein Hund am Tatort?« Der Hauptkommissar sieht sich um, entdeckt den kleinen Kater auf Jules Arm und schaut sie grimmig an.
»Ähm, das ist eine Katze«, korrigiert Jule ihn.
Patullek scheint mit dieser Erklärung gar nicht zufrieden zu sein. Seine Antwort geht allerdings in einem heftigen Niesanfall von Mara unter, die gerade unsanft an ihre Katzenallergie erinnert wird.
»So kann ich nicht arbeiten!« Der Kommissar ist wütend. Er schickt uns alle mit den beiden uniformierten Polizisten nach unten, wo unsere Personalien aufgenommen werden und wir auf ihn warten sollen. Nur die beiden Kommissare bleiben am Tatort zurück. Ich höre noch, dass sie auf die Spurensicherung warten.
Wir versammeln uns in der Wohnung von Fräulein Kossmehl. Als wir eintreten, flüchten drei große Katzen mit ärgerlichem Miauen vor uns her, den Flur entlang, ins Wohnzimmer. Dort kauern sie oben auf einem großen Schrank, schauen auf die vielen fremden Menschen herab und maunzen ab und zu. Das klingt gar nicht freundlich, sondern eher übellaunig. Ein leises Bellen meinerseits genügt allerdings, und es ist Ruhe da oben. Gut so.
Fräulein Kossmehl ist eine echte Tierfreundin. Sogar ich darf hier auf dem Sofa sitzen. Die alte Dame kocht für alle Pfefferminztee, der beruhigend wirken soll, und wuselt aufgeregt hin und her. Trotzdem nimmt sie sich ab und zu einen winzigen Moment Zeit, um mir über den Kopf zu streichen.
Jule hat sich wieder etwas gefasst, hält den kleinen Kater immer noch auf dem Arm und streichelt mich mit der anderen Hand. Wenn der Anlass nicht so traurig wäre, würde ich mich über diese viele Streichelei sehr freuen. Die Polizisten sind höflich und freundlich. Einer von ihnen notiert die Namen aller Anwesenden und zieht nur kurz verwundert eine Augenbraue hoch, als Jule mich als Rikarda vorstellt. Doch er schreibt auch meinen Namen auf. Ich wedele vor Freude mit dem Schwanz und komme mir sehr wichtig vor, denn ich bin nun Zeuge in einem Mordfall.
Danach sitzen wir schweigend beieinander und warten auf Hauptkommissar Patullek. Jeder scheint auf seine Weise in Gedanken bei der toten Liane zu sein.
Der jüngere Polizist streicht mir über den Kopf, sieht Jule an und meint: »Einen schönen Hund haben Sie da.«
Oh, das höre ich gern. Vor ihm habe ich fast keine Angst mehr. Es klingelt, und gleichzeitig klopft jemand energisch und ungeduldig. Fräulein Kossmehl huscht erschrocken zur Tür, um zu öffnen. Im nächsten Moment wird sie von Patullek einfach beiseitegedrängt, als er ins Wohnzimmer stürmt. Die drei großen Katzen springen vor Schreck vom Schrank und flüchten in die Küche.
»Habt ihr alle Personalien?«, wendet er sich an die beiden Uniformierten. Als diese nicken, ist der Hauptkommissar schon wieder auf dem Weg nach draußen. Er blökt nur noch zurück: »Okay, dann will ich Sie alle morgen früh um 9 Uhr im Präsidium sehen. Zimmer 454. Pünktlich!«
Ich knurre leise vor mich hin. Den Hauptkommissar mag ich ganz sicher nicht!
»Tut mir leid.« Es ist dem jüngeren Polizisten anzusehen, dass ihm Patulleks Auftritt peinlich ist. »Wir müssen dann auch gehen. Hat mich gefreut«, setzt er noch hinzu, als er Jule die Hand reicht.
Kann es sein, dass er ihr dabei einen Augenblick zu lange in die Augen schaut? Oder muss er das tun, weil er Polizist ist? Jule ist noch ganz verwirrt und will ebenfalls gehen, aber Fräulein Kossmehl hält sie zurück: »Bleiben Sie beide doch noch einen Augenblick, bitte.«
Jetzt fällt die ganze Anspannung von den drei Frauen ab, und Jule fängt leise an, zu weinen. Die Ärmste, das war einfach zu viel Aufregung. Mara nimmt sie in den Arm, doch nun beginnt auch Fräulein Kossmehl zu schluchzen. Oh je, das kann ich nicht stumm mit ansehen, und so hebe ich meinen Kopf und lasse ebenfalls ein klagendes Heulen ertönen.
»Ach Gott, was mach ich denn nun mit euch dreien?« Mara scheint im ersten Moment mit uns Heulsusen überfordert zu sein. Sie blickt in die Runde, entscheidet dann, Tee nachzuschenken, und zaubert für mich ein paar Hunde-Knusperkekse hervor. So sind plötzlich alle beschäftigt und beruhigen sich wieder. Ich bewundere
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