Der Leberwurst-Mörder
Hallo zu und flitzte wieder zu Jule. Vor lauter Übermut stecke ich einmal kurz meinen Kopf unter den flatternden Rock ihres Kleides. Sie lacht und droht mir spielerisch mit dem Finger: »Rikarda! Das tut eine Dame nicht!«
Normalerweise ist es ernst, wenn Jule mich
Rikarda
statt
Rika
nennt. Aber nicht, wenn ihre Augen lachen. So necke ich sie weiter, indem ich sie immer wieder mit meinem Kopf stupse, und wir hüpfen ausgelassen gemeinsam über die Wiese. Junge Mütter mit Kinderwagen picknicken auf karierten Decken, Studenten liegen lesend im Gras, Kinder laufen Bällen hinterher. Die Sommerferien gehen zu Ende, und jeder scheint noch etwas von dieser Leichtigkeit und Unbeschwertheit mitnehmen zu wollen. Am anderen Ende des Parks muss ich leider wieder an die Leine. Wir überqueren den Stadtring, eine gefährliche Schnellstraße, und schlendern dann quer durch die Altstadt.
In den kleinen Straßen sind viele Menschen unterwegs. Sie sehen anders aus, als die im Park. Die meisten hasten und haben ernste Gesichter, als hätten sie Angst, zu spät zu kommen und etwas zu verpassen. Sehen sie denn nicht, dass es gerade hier und jetzt am schönsten ist?
Die Abendsonne wärmt mein Fell und gibt ihm einen goldenen Schimmer. In diesem Moment könnte man fast denken, ich sei mit Willy, Frieda und Goldy verwandt.
Schon von Weitem kann ich meinen Lieblingsladen riechen, der die allerbesten Hundeleckerlis anbietet, die ein Hund sich vorstellen kann. Hier darf ich mit hinein und bekomme immer, wirklich immer, etwas zum Knabbern. Heute ist es gar nicht so einfach, den Laden zu betreten. An der Tür stoßen wir beinahe mit einer kleinen Frau zusammen, die eine prall gefüllte, große blaue Tasche trägt und wütend aus dem Laden gestürmt kommt. Ihre Frisur sieht seltsam aus, als hätte sie sich eine schwarze Schüssel über den Kopf gestülpt, ein goldenes Band drumgeschlungen und zu allem Überfluss auch noch zwei bunte Federn darangesteckt – eine pinkfarbene und eine, die so grell-grün leuchtet, dass es meinen Hundeaugen wehtut. Auch ihr Kleid ist pink-grün gemustert. Außerdem riecht sie nach Erdbeeren, wie ein ganzer Korb voll von diesen süßen Früchten. Da ich keine Erdbeere entdecken kann, vermute ich, dass die Federfrau ein Parfüm benutzt, das so riecht.
»Saftladen!«, schimpft sie. »Keinen Fuß werde ich mehr über diese Schwelle setzen!«
Die lustig aussehende Dame ist wahrscheinlich im falschen Laden gewesen, denn hier gibt es doch gar keinen Saft, sondern alles für Hund und Katz und andere kleine Haustiere. Jule sieht der Frau mit einem amüsierten Lächeln hinterher, bevor wir endlich den Laden betreten. Hier erzählt Jule der freundlichen Verkäuferin, was die Katzenkinder angestellt haben, und erfährt, dass einige Pflanzen für die Kleinen giftig sind, so zum Beispiel auch die Orchidee, die auf ihrer Fensterbank steht. Aber natürlich wollen alle Kinder spielen, egal ob Menschen-, Hunde- oder Katzenkinder.
Also lässt Jule sich beraten, womit sie den Kleinen eine Freude machen und sie beschäftigen könnte. Wenig später liegen mehrere Plüschmäuse, die sogar lustig quietschen können, eine Art Teller mit einem Ball und einem komischen Wackelding darauf, und verschiedene kunterbunte Bälle auf dem Ladentisch. Dazu kommen noch mehrere Dosen Katzenfutter, denn drei Kätzchen fressen auch dreimal so viel wie eine Katze. Eigentlich will Jule auch noch ein Katzenklo kaufen, aber als sie die Preise dafür sieht, meint sie, der Karton würde es noch eine Weile tun. Trotzdem stöhnt sie, als sie die Summe hört, die sie zu zahlen hat. Ich bin sehr froh, dass sie nicht an meinem Leckerli gespart hat und ich ein getrocknetes Stück Pansen bekomme. Das riecht so gut!
Jule verstaut alles in ihrem Rucksack und hält zum Schluss noch eine Weile nachdenklich den Kassenzettel in der Hand. Beim Verlassen des Ladens begegnen wir Paula aus dem Tierheim. Jule bleibt stehen, und die beiden reden kurz über den Mord an Liane. Paula ist ebenfalls entsetzt und kann sich nicht vorstellen, wer Liane umgebracht haben könnte. Jule scheint kurz zu überlegen, dann sagt sie: »Ach, weißt du, Paula, es gibt da ein paar Dinge, die ich nicht verstehe. Können wir zwei mal in Ruhe über Liane reden?«
Auch wenn Paula es jetzt gerade eilig hat, ist sie doch einverstanden, und die beiden Frauen verabreden sich für Donnerstagnachmittag, wenn Paula allein im Tierheim Dienst hat.
Mit einem Rucksack voll Katzenspielzeug öffnet
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