Der Leberwurst-Mörder
manchmal richtig leid, dass sie all die wunderbaren Gerüche und Düfte nicht richtig wahrnehmen können. Irgendetwas ist mit ihren Nasen nicht in Ordnung.
Jule scheint es völlig okay zu finden, dass Paula so neugierig war, und ermuntert sie, fortzufahren. Paula bestätigt, dass Liane tatsächlich unter verschiedenen Männernamen Kontakt zu tierlieben, Männer suchenden Frauen aufgenommen hatte.
»Ich hab nur mal kurz geschaut. Mir ist das Lesen fremder E-Mails wirklich unangenehm.«
Paula schaut Jule an, und die nickt. »Das kann ich verstehen. Wenn ich mir überlege, dass wahrscheinlich auch Mails von mir dabei sind ...«
»Ja, dann könntest du das doch übernehmen!«
Paula klingt erleichtert. Sie hofft wohl, die unangenehme Schnüffelei abgeben zu können. Jule widerspricht nicht, sondern kramt in ihrer Handtasche, findet zwei Hundekekse, die sie Nino und mir mit einem Lächeln hinunterreicht. Freudig mit dem Schwanz wedelnd bedanken wir uns. Jule wühlt weiter und hält einen Augenblick später ein kleines schwarzes Teil in der Hand. Zuerst halte ich es für so einen Stift, mit dem sich Jule manchmal die Lippen anmalt, wenn sie zum Essen eingeladen ist. Doch es ist ein Memorystick. Das habe ich schon mal gesehen. Damit kann man, wie mit einer Hundeschnüffelnase, gespeicherte Informationen vom Gehirn des einen Computers herunterschnüffeln und dann einfach einen anderen Computer an diesem Memorystick riechen lassen. Schon weiß der zweite Computer alles, was der erste wusste. Toll!
Mit einem zufriedenen Lächeln reicht sie Paula das kleine schwarze Teil. Die schiebt es in den Computer, klickt auf ein paar Tasten herum und ruft wenig später: »Fertig. Ach, ich bin so froh, dass du das machst.«
Es scheint, als ob Paula diesen Memorystick schnell loswerden will und Jule schon sehr gespannt ist, die Mails zu lesen, denn Hals über Kopf verabschieden sich die beiden. Als wir schon fast aus der Tür sind, ruft Paula: »Halt! Fast hätte ich es vergessen. Es muss ja nichts zu bedeuten haben, aber komisch ist es schon. Lianes Kalender weist für fast jeden Tag ein oder zwei Einträge auf. Nur nicht für die Zeit nach dem Mord. Ab dieser Woche sind alle Seiten komplett leer.«
Das klingt gruselig. Als ob Liane geahnt hätte, dass sie stirbt? Jule schaut auch ziemlich verdutzt. Diese Information bringt keine Klarheit in den Fall, sondern macht ihn nur noch undurchsichtiger.
Wenn Jule verwirrt ist, macht sie manchmal komische Sachen. Heute wirft sie auf dem Rückweg durch den Stadtpark ganz oft meinen Ball, viel weiter als sonst, und ich flitze hin und her und freue mich. Der Tag wäre perfekt, wenn die Gedanken nicht immer wieder zur ermordeten Liane springen würden. Wir sind beide ziemlich erschöpft, als wir zu Hause ankommen.
Die Katzen waren brav, wie eigentlich meistens, seit sie ihr Katzenspielzeug haben. Jule wechselt noch schnell diesen komischen groben Sand in Katzenklokarton. Deshalb verziehe ich mich lieber in den Garten. Auch wenn ich mich an den Katzengeruch inzwischen gewöhnt habe, Katzenpipi treibt mir immer noch die Tränen in die Augen.
Hier draußen ist es besser, der Nachbar hat heute seinen Rasen gemäht. Ein angenehmer Duft von frischem Gras kommt über die Mauer geweht und erinnert mich an die ausgelassene Toberei auf Maras Wiese. Am liebsten würde ich jetzt ein bisschen träumen, doch mein Hundebauchgefühl rät mir, wach zu bleiben. Von hier draußen kann ich gut beobachten, was Jule im Haus tut, und aufpassen, dass mir nichts entgeht, was mit der Klärung des Mordfalls zu tun haben könnte.
So husche ich schnell zurück ins Haus, als ich sehe, wie Jule auf dem Sofa Platz nimmt und das Telefon heranzieht. Gerade, als sie den Hörer in die Hand nehmen will, klingelt es, sodass sie leicht erschrickt. Doch schnell hat sie sich wieder gefasst, geht dran und lächelt, als sie sagt: »Ach, Fräulein Kossmehl, Sie sind es.«
Dann sagt die alte Dame etwas, das ich nicht hören kann, und Jule antwortet: »Oh, das ist lieb. Ja, gern bringen wir die Hunde mit. Dann bis morgen Nachmittag zum Tee.«
Oh, wie ich mich freue! Wir suchen nicht nur Lianes Mörder, sondern gehen auch zum Tee zu der netten alten Dame!
Nun endlich ruft Jule bei Mara an und erzählt ihr von dem Gespräch mit Paula und Fräulein Kossmehls Einladung. Leider kann ich Maras Worte nicht hören, aber es scheint ihr sehr zu gefallen, dass Jule Lianes Mails auf dem Memorystick hat, denn ich höre Jule sagen: »Gut, dann
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