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Der Leibarzt der Zarin

Der Leibarzt der Zarin

Titel: Der Leibarzt der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Großmaul!« wandte er sich an den Offizier. »Wer zuerst vor dem Zaren steht, hat gewonnen. Vorwärts! Dawai – dawai!«
    Er ritt an Sabotkins Seite und zischte: »Du hast verhindert, daß ich Xenia noch einmal sehe …«
    »Ihr hattet keine Zeit mehr, Herr.« Sabotkin lächelte breit. »Ihr hättet auch alles verraten, man ließ Euch nicht mehr aus den Augen. Aber Xenia weiß Bescheid. Ich habe es ihr sagen können, während die Tröpfe Eure Wohnung durchwühlten.«
    »Ich werde dich loskaufen, Sabotkin. Ich werde dich vom Zaren loskaufen! Du sollst ein freier Mensch werden!«
    Trottau sah, wie Sabotkins Gesicht zuckte, und hätten sie nicht zu Pferde gesessen, wäre er auf die Knie gefallen. »Kennst du den Weg nach Alexandrowskaja sloboda?«
    »Ja, Herr.«
    »Zehn Werst vorher beschreibe ihn mir genau … Ich muß das Wettrennen gewinnen. Besorge mir an der letzten Pferdestation ein schönes Gäulchen!«
    »Das beste, Herr!« Sabotkin legte die Hand aufs Herz, dann gaben sie den Pferden die Sporen und ritten los. Eine Wolke aus Schnee hüllte sie ein.
    Nach dem letzten Pferdewechsel, bei dem Trottau einen hochbeinigen, braunen, starken Wallach erhielt, winkte der Arzt dem Offizier zu. »Bist du noch stark genug für den Wettkampf? Du hängst im Sattel wie ein geschlachteter Hammel!«
    »Man reitet mit dem Hintern, nicht mit dem Maul!« schrie der Offizier.
    »Dann los!« Trottau lachte laut. Sabotkin hatte ihm den Weg beschrieben, auch eine Abkürzung durch einen Wald und einen Sumpf. Der Sumpf war jetzt zugefroren, man konnte mit einem guten Pferd fast darüber hinwegfliegen.
    Ein gutes Stück galoppierten Trottau und der Offizier nebeneinander her. Dann schob sich Trottaus Wallach vor, Schritt für Schritt … Schließlich waren sie so weit voneinander entfernt, daß Trottau die Deckung einer Baumgruppe ausnutzte, sein Pferd nach rechts wendete und in den Wald hineinjagte, den Sabotkin ihm beschrieben hatte.
    Als der Offizier die Stelle erreichte, an der Trottau abgebogen war, schrie er vor Lachen, tippte sich an die Stirn und galoppierte den vorgezeichneten Weg weiter.
    Er wird nie ankommen! dachte der Offizier. Er wird sich im Sumpf verirren oder von Wölfen zerrissen werden.
    Trottau ritt und ritt. Er hatte längst die Orientierung verloren. Alles sah gleich aus – ein Schneefeld mit einem bleiernen Himmel darüber.
    Aber sein Pferd kannte den Weg. Von der letzten Pferdestation bis Alexandrowskaja sloboda war es ungezählte Male gelaufen. Es witterte die Nähe der Menschen, streckte die Beine und trug Trottau sicher über den Sumpf.
    Wölfen begegnete er nicht – er hörte sie nur. Auch eine Hundemeute heulte irgendwo in der Ferne.
    Mit Schweiß bedeckt, der im Gesicht sofort zu Eis gefror, brach Trottau schließlich aus dem Wald hervor und sah die von Palisaden umgebenen Gebäude der neuen Zarenresidenz vor sich liegen. Militär umgab sie wie ein lebender Wall, in den Zeltstädten loderten die Feuer.
    »Platz für den Arzt der Zarin!« schrie Trottau, als er in vollem Galopp die Tore passierte. »Platz für den Arzt der Zarin!«
    Im Innenhof sprang er aus dem Sattel. Diener rannten herbei und hielten sein zitterndes Pferd, ein Leiblakai stürzte aus dem Haus mit einem angewärmten dicken Zobelpelz. Trottau erkannte ihn … Der Pelz lag sonst immer auf dem Bett der Zarin.
    Er folgte dem Lakaien ins Haus. Wärme schlug ihm entgegen wie eine Faust. Von draußen hörte er, wie erst jetzt der Offizier eintraf. Er mußte sich als der unglücklichste Mensch in ganz Rußland fühlen.
    »Sag dem Offizier«, befahl Trottau dem Lakaien, »er soll sich sein Maul waschen und in Zukunft nicht immer dem Dreck aussetzen. Mehr will ich nicht von ihm.«
    Zwei Kammerfrauen erschienen in dem Vorraum. »Wo ist der Zar?« fragte Trottau.
    »Der Zar jagt in den Wäldern.« Die Kammerfrauen sanken in die Knie. »Die Zarin erwartet Euch. Sie stöhnt vor Schmerzen.«
    Marja war allein. Sie trug ein tatarisches Seidengewand, und darunter war sie nackt. »Mein blonder Bär …«, sagte sie. Ihre Stimme war heiser. Sie stürzte in Trottaus Arme.
    »Denk nicht an den Zaren. Er kommt erst am Abend wieder! Aber ich sterbe vor Einsamkeit! Wie konnte ich es ohne dich diese Tage aushalten? Begreifst du das? Du konntest es, nicht wahr? Sag es, du Schuft, sag es mir ins Gesicht – du konntest es! Oh, du herzloses Untier … Du weißt nicht, was Sehnsucht ist …«
    Am Abend kam der Zar zurück. Auf einem Schlitten lagen die blutigen Felle

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