Der Leichenkeller
Münzanstalt brachte den Doppeladler höchstpersönlich ins Schloss.«
»War das normal?«, fragte Mercer.
»Machen Sie Witze? An dem Flug dieses Vogels war nichts normal.«
Je mehr sie darüber sprach, desto überzeugter war ich, dass wir auf der richtigen Spur waren.
»Ebenfalls noch am selben Tag«, fuhr Alvino fort, »prüfte der Kurator die Münze und erklärte sie für besonders wertvoll, da sie auf die Zeit vor der Präsidentenorder von 1934 zurückdatierte. Nach Ansicht meines Bosses stand er dabei, offen gesagt, so unter Druck, dass er nicht einmal wusste, was er unterschrieb.«
»Aber er erklärte sich bereit, die Lizenz anzufordern, die die Münze zum gesetzlichen Zahlungsmittel machte?«, fragte ich.
»Wahrscheinlich aus Unwissenheit. Keine Anzeichen von Bestechung, obwohl einige da anderer Meinung sind. Wie dem auch sei, er ersuchte um die Genehmigung, durch die das Zwanzig-Dollar-Stück letztendlich ein kleines Vermögen wert war.«
»Beim Finanzminister höchstpersönlich?«
»Ganz genau. Dann nahmen die Beauftragten des Königs die Münze an sich, verstauten sie im Kuriergepäck und brachten sie persönlich nach Kairo in Faruks Vergnügungspalast.«
»Wann war das?«
»Das war ja die Ironie bei der ganzen Sache. Wie Sie wissen, sind einige dieser 1933 geprägten Münzen ein paar Jahre später gestohlen worden. Tausende wurden eingeschmolzen, weil wir aus dem Goldstandard ausgetreten sind.«
»Das ist uns bekannt.«
»Die königliche Gesandtschaft holte Faruks Doppeladler am 11. März 1944 aus der Münzanstalt ab«, sagte Alvino mit einem Blick auf ihre Notizen. »Exakt eine Woche später erfuhr der Secret Service, dass die Gebrüder Stark eine weitere der angeblich nicht existierenden Münzen versteigern wollten. Sie waren stocksauer.«
»Hat unsere Regierung jemals versucht, die Münze von Faruk zurückzubekommen?«
»Natürlich, Detective. Meine Vorgänger wussten, dass Morgenthau die Lizenz versehentlich erteilt hatte. Sie versuchten, sie auf diplomatischem Wege zurückzubekommen«, sagte Alvino. »Aber bedenken Sie das Datum. Wir befanden uns mitten im Zweiten Weltkrieg. Ägypten war ein wichtiger Punkt auf der Landkarte, da es den Suezkanal und die Durchfahrt zum Indischen Ozean kontrollierte. Niemand wollte wegen eines gestohlenen Doppeladlers die Pferde scheu machen.«
Wie nebensächlich musste den Diplomaten inmitten der Kriegswirren ein Goldstück im Wert von zwanzig Dollar erschienen sein!
»Und nach Kriegsende?«, fragte Mercer.
Alvino kramte in den Dokumenten auf ihrem Schreibtisch. »Ich kann Ihnen den Brief zeigen, in dem mein Vorgänger den König um Rückgabe des Doppeladlers bat. Leider erforderte es das Protokoll, für jegliche Korrespondenz mit ausländischen Regierungen zuvor die Genehmigung des Außenministeriums einzuholen. Sie wurde nicht erteilt.«
»Warum?«
»›Politisch nicht ratsam‹ lautete die offizielle Formulierung. Der Arabisch-Israelische Krieg von 1948 zeichnete sich als nächster internationaler Konfliktherd bereits ab, und zu dem Zeitpunkt war Faruk im In- und Ausland schon äußerst unbeliebt. Er hatte andere Sorgen als die Rückgabe des Adlers.«
»Glauben Sie, dass damals irgendjemand ihren zukünftigen Wert voraussehen konnte?«
Sie lachte. »Vielleicht in der Größenordnung von ein paar tausend Dollar. Sieben Millionen waren damals eine astronomische Summe. Das hätte niemand für möglich gehalten.«
»Sieben Millionen sind noch immer ziemlich abgefahren, wenn Sie mich fragen«, sagte Mike. »Also, der Dicke wird 1952 entthront. Er geht ins Exil nach …?«
»Rom«, antwortete Alvino. »Er liebte la dolce vita . In jungen Jahren nannte man ihn den Nachtschwärmer.«
»Das haben wir gehört«, sagte Mike.
»Alte Gewohnheiten legt man nicht so schnell ab. Er zog nach wie vor jede Nacht von einem Club zum nächsten – Hunt Club, Piccolo Slam, Boîte Pigalle, Via Veneto. Er düste nach Monaco zu Grace Kellys Hochzeit mit seinem Kumpel Prinz Rainier. Der ewige Playboy.«
»Weiß man, ob er bei seiner Flucht aus Ägypten den Vogel dabei hatte oder nicht?«, fragte Mike.
»Gute Frage«, erwiderte Alvino. »Ich bin mir nicht sicher, ob irgendjemand die Antwort darauf weiß. Die ägyptischen Revolutionäre unter der Führung von General Nasser zwangen Faruk, das meiste zurückzulassen. Aber er hat in den Monaten vor seiner Verbannung eindeutig genug Geld, Schmuck und Wertsachen außer Landes geschafft, um auch im Exil den Rest seines
Weitere Kostenlose Bücher