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Der Leichenkeller

Der Leichenkeller

Titel: Der Leichenkeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Ehren«, sagte ich und stand auf. »Können wir die einzeln an der Richterbank entgegennehmen?«
    Moffett war über meinen Vorschlag nicht erfreut. Es würde wertvolle Minuten kosten und damit enden, dass mehr Leute befreit würden, als ihm recht war. Aber falls er meine Bitte ablehnte, würden künftig weniger Frauen in einem öffentlichen Gerichtssaal, vor Fremden, ihr Anliegen vortragen – und das wusste er. Außerdem würden Robelon und ich später weniger Gelegenheiten haben, einen Geschworenen unter Angabe von Gründen abzulehnen.
    Er wollte meinen Antrag gerade ablehnen, als mein Gegner aufstand und mir zustimmte. Die Verteidigung stand immer besser da, wenn die Geschworenen dachten, dass sie bei dem Thema sensibel war.
    Nummer drei stand zwischen Robelon und mir an der Richterbank und sagte Moffett, dass sie unmöglich an diesem Prozess teilnehmen könne. »Ich bin selbst Opfer einer Vergewaltigung gewesen, Euer Ehren.«
    »Wann war das?«
    »Vor fünf Jahren. Vergewaltigt und misshandelt.«
    »War das hier in New York? Hat Miss Cooper oder einer ihrer Kollegen Ihren Fall betreut?«
    »Nein, Sir. Es wurde nie jemand festgenommen.«
    »Und Ihr Vergewaltiger war nicht Mr. Tripping, oder?«
    Sie starrte mit Tränen in den Augen auf ihre Schuhe. »Nein, Sir.«
    »Und Sie wissen, dass er als unschuldig gilt und das Recht auf einen fairen Prozess hat?«
    Sie schluckte, brachte aber keinen Ton heraus. Stattdessen nickte sie.
    »Also wo ist dann das Problem?«
    Robelon verstand und wollte, dass der Richter sie gehen ließ. Er hatte eine begrenzte Anzahl von Möglichkeiten, einen Geschworenen ohne Angabe von Gründen abzulehnen, und er hatte keine Lust, sie auf eine Frau zu verschwenden, die seinem Mandanten eindeutig nicht wohl gesinnt war.
    »Ich will nur wissen, warum Sie dem Angeklagten keine faire Chance geben können. Sagen Sie es mir.«
    »Euer Ehren, ich denke –«
    »Was Sie denken, interessiert mich nicht, Ms. Cooper. Ich versuche das hier zu beschleunigen.«
    Die Geschworene sah mich an, als hoffte sie, dass ich mich noch einmal einmischen würde, damit sie sich wieder sammeln konnte.
    »Ich hole Ihnen einen Becher Wasser«, sagte ich und ging an meinen Tisch.
    »Ich befürchte, ich bin die Falsche für diesen Prozess, Sir. Sie halten mich vielleicht für irrational, aber ich kann nicht hier sitzen und einer anderen Frau dabei zuhören, wie sie ihre Vergewaltigung schildert. Es ist … es ist noch immer zu frisch für mich. Es tut mir Leid, ich kann einfach nicht.«
    Der Richter hatte genug gehört. »Melden Sie sich morgen früh wieder in der Geschworenenzentrale. Sagen Sie Bescheid, dass man Sie das nächste Mal fürs Zivilgericht einteilt.«
    Insgesamt sieben Frauen traten vor die Richterbank und berichteten ihre persönlichen Erfahrungen. Vier baten um Befreiung, und drei waren sich nicht sicher, wie sie emotional auf die Aussage eines anderen Vergewaltigungsopfers reagieren würden.
    »Niemand behauptet zum jetzigen Zeitpunkt, dass sie ein Opfer ist«, knurrte der Richter die Letzte in der Reihe an. »Genau das sollen die Geschworenen erst entscheiden.«
    Ich sah auf meine Uhr. Moffett würde uns bis sieben oder acht Uhr abends hier behalten, um die Geschworenenauswahl zu beenden. Er würde sich durch nichts von seinem Zeitplan abbringen lassen.
    Nachdem er mit den allgemeinen Fragen fertig war, reichte er mir den Sitzplan, damit ich mit den persönlicheren Fragen fortfahren konnte. Ich legte ihn auf das kleine Podium vor der Geschworenenbank und ließ mir ein paar Sekunden Zeit, um die Gesichter der Geschworenen mit den Namen und Adressen auf dem klein gedruckten Plan zusammenzubringen.
    Bis Viertel nach fünf hatten wir uns auf elf Geschworene geeinigt. Ich war den Fleischer losgeworden, dessen zwei halbwüchsige Söhne bereits mehrmals für Verbrechen verhaftet worden waren, die sie gar nicht begangen hatten, den Kaufhausangestellten, der der Meinung war, dass eine Frau unmöglich von einem Mann vergewaltigt werden konnte, mit dem sie vorher ausgegangen war, und den Schauspielschüler, der die Ansicht vertrat, dass O.J. Simpson von den Medien missverstanden werde.
    Peter Robelon machte den klassischen Fehler aller Verteidiger in ihrem ersten Vergewaltigungsfall. Er bemühte sich, alle Frauen loszuwerden, in dem Glauben, dass die Männer sich leichter in Andrew Trippings Lage hineinversetzen und ihn aus Solidarität freisprechen würden.
    Im Laufe der Jahre hatte ich leider gelernt, dass Frauen

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