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Der Leichenkeller

Der Leichenkeller

Titel: Der Leichenkeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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ihre Geschlechtsgenossinnen meist kritischer beurteilten als Männer und ihnen öfter selbst die Schuld gaben für ihre Vergewaltigung. Früher hatte ich alles versucht, um die Geschworenenbank mit einem Dutzend intelligenter Frauen zu besetzen, bis mir einmal nach einem Prozess eine kleine Delegation von Männern erzählte, dass die Frauen das Verhalten des Opfers viel zu kritisch betrachtet hatten.
    Ich nahm befriedigt zur Kenntnis, wie mein Gegner die bekennende Feministin loswurde – sie hatte drei unverheiratete Söhne, die alle noch studierten, und wäre wahrscheinlich nicht auf meiner Seite gewesen – sowie fünf, sechs junge Frauen – es schien ihm total zu entgehen, dass sie mit ihm und Andrew Tripping Augenkontakt suchten und schon beinahe flirteten.
    Ich sah nicht, wie meine Anwaltsgehilfin Maxine hereinkam und an den Tisch des Richterassistenten gegenüber der Geschworenenbank ging. Moffett raunzte sie an. »Gibt es etwas, weswegen Sie uns stören müssen, Fräulein?«
    »Sie muss mit Ms. Cooper reden, Euer Ehren«, sagte der Assistent. »Sie sagt, es sei dringend.«
    Ich war über die Unterbrechung ebenso wenig erfreut wie Moffett, und man musste es mir angesehen haben.
    »Es tut mir Leid, Alex. Mercer bat mich, es Ihnen sofort zu sagen. Er will wissen, ob Sie den Richter bitten können, die Kaution des Angeklagten rückgängig zu machen und ihn über Nacht wieder in U-Haft zu stecken.«
    »Warum sollte ich?«, fragte ich.
    »Eine Frau rief vor kurzem in Ihrem Büro an und wollte Sie sprechen. Sie behauptet, die Pflegemutter von Dulles Tripping zu sein. Sie sagt, der Schuldirektor hätte den Jungen heute Nachmittag mit einer Notiz nach Hause geschickt, wonach sich heute Morgen um halb acht ein Mann vor dem Schulhof herumgetrieben und sich bei den anderen Kindern nach Dulles erkundigt hat.«
    »Hat die Frau ihren Namen und ihre Telefonnummer hinterlassen? Hat der Lehrer den Mann beschrieben?«
    »Nach ihrer Beschreibung hört es sich nach dem Angeklagten an«, sagte Maxine.
    »Wenn das schon heute früh passiert ist, warum hat dann der Schuldirektor so lange gewartet, bis er sie benachrichtigt hat?« Ich versuchte mich zu erinnern, um wie viel Uhr Tripping ins Gericht gekommen war.
    »Hat er nicht. Die Frau hatte am Vormittag, nachdem sie Dulles zur Schule gebracht hatte, einige Arzttermine. Die Schule hat den ganzen Tag versucht, sie zu erreichen, aber sie kam erst wieder nach Hause, nachdem sie den Jungen abgeholt hatte.«
    Wieder saß ich in der Klemme. Ich konnte keinen Antrag auf U-Haft stellen mit der Behauptung, dass der Angeklagte das Näherungsverbot verletzt hatte, ohne mich zuerst von der Glaubwürdigkeit der Pflegemutter zu überzeugen. Noch eine Beteiligte in diesem Fall, die ich nicht getroffen hatte. Ich musste den Schuldirektor nach Einzelheiten fragen. Falls mein Antrag auf U-Haft fehlschlug, würde ich den Richter unnötigerweise verärgert haben. Falls ich zu vorsichtig war, könnte ich Tripping Gelegenheit geben, seinem Sohn erneut aufzulauern oder ihm sogar wehzutun.
    »Ich werde um eine zehnminütige Verhandlungsunterbrechung bitten, damit ich sie anrufen kann. Geben Sie mir die Nummer der Frau«, sagte ich zu Maxine.
    »Das ist es ja gerade. Sie war völlig verstört. Sie sagte, sie wolle ihren Namen weder Ihnen noch Mercer oder sonst jemandem geben, der sie ausfindig machen könne. Ich soll Ihnen nur sagen, dass sie mit Dulles wegfahren würde. Sie würde sich wieder melden.«

7
     
    Wir waren kurz nach neunzehn Uhr mit der Auswahl der Geschworenen fertig.
    »Morgen Vormittag Punkt zehn Uhr, meine Damen und Herren«, sagte Moffett und entließ die zwölf Geschworenen und die zwei Ersatzgeschworenen, die wir ausgesucht hatten.
    »Ich sage Ihnen, was ich bezüglich des Jungen tun werde«, verkündete der Richter Robelon und mir, nachdem die Geschworenen den Gerichtssaal verlassen hatten. »Ich werde Ms. Taggart sagen, dass sie Dulles morgen nach der Schule in mein Amtszimmer bringen soll. Dann kann Miss Cooper versuchen, mit ihm und seinem Anwalt zu reden – wie hieß der noch mal?«
    »Hoyt. Graham Hoyt.«
    »Genau. Der soll auch kommen. Ich werde ebenfalls anwesend sein, um eventuell auftretende Probleme auszubügeln. Was halten Sie davon?«
    Ich konnte mich nicht auf die Unterhaltung konzentrieren. In meinem Kopf schwirrte alles wild durcheinander. Ich fragte mich, ob der Junge in Gefahr war, wohin die Pflegemutter ihn gebracht hatte, wie Nancy Taggart reagieren würde, wenn

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