Der Leichenkeller
Büro zurückgekommen, bevor mich Battaglia zu sich zitiert hatte.
»Das wird sie ziemlich mitnehmen. Sie wird sich für sein Verschwinden die Schuld geben«, sagte er.
»So viel zu den Geschworenen«, stöhnte ich. Vor lauter Sorge um den Jungen hatte ich nicht an die Pressemitteilungen gedacht, mit deren Hilfe man die Öffentlichkeit zur Suche nach Dulles mobilisieren wollte. Die Geschworenen würden am Wochenende die Fernsehnachrichten sehen und die Zeitungen lesen. Paige hatte in ihrer Zeugenaussage so viel über Dulles erzählt, dass sie sein Verschwinden garantiert mit dem Prozess in Verbindung bringen würden.
»Hat der Richter ihnen denn nicht gesagt, dass sie alle Medienberichte ignorieren sollen, die mit dem Fall zu tun haben?«, fragte Battaglia.
Chapman blies einen Rauchring, stand auf und nahm sich noch eine Zigarre aus dem Humidor des Bezirksstaatsanwalts. »Na klar. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Geschworenen die Schlagzeilen nicht lesen, ist ebenso groß wie die, dass ich zu einer Ménage à trois mit Sharon Stone und Blondie hier in den Whirlpool steige oder Sie mit fünfundachtzig nicht mehr hinterm Schreibtisch sitzen. Seien Sie realistisch, Mr. B. – sie werden die Story verschlingen.«
»Ich werde Sie am Wochenende auf dem Laufenden halten«, sagte ich zu Battaglia und Whitney.
Wir gingen zurück in mein Büro. Mercer verabschiedete sich und machte sich auf den Weg zur Abteilung für Kindesmissbrauch, die im sechsten Stock des gegenüberliegenden Gebäudes untergebracht war. Er würde den Detectives alles sagen, was er über Dulles Tripping wusste. Nancy Taggart war wahrscheinlich auch schon zur Befragung dort.
»So viel zu meinem Plan, mich mit meinem Zeugen anzufreunden.« Ich nahm Mike die Papiertüte ab und sperrte die Yankees-Jacke in einen Aktenschrank. »Ist sonst noch was?«
»Na ja, bevor dein Wochenende ruiniert wurde, wollte ich dich eigentlich fragen, ob du morgen Vormittag für ein paar Stunden mitkommen kannst. Ich wollte gern jemanden dabeihaben, wenn ich mich in Queenies Wohnung umsehe.«
»Was ist mit Sarah?«, fragte ich.
»Irgendwie kann ich mir schlecht vorstellen, einen Tatort mit einem Baby und einem Kleinkind im Schlepptau zu begutachten. Zu viel Gesabbere verringert die Chance auf brauchbare DANN.«
»Warum hat jeder bloß so viel Verständnis für Mütter?«, fragte ich lächelnd. »Warum habe ich keine Entschuldigungen, die es mit Stillen, laufenden Nasen oder Windelgroßeinkäufen aufnehmen können?«
»Hey, falls du sonst nichts Besseres zu tun hast als den Samstag im Bett rumzuhängen, dann hast du keine Wahl. Soll ich dich nach deiner Ballettstunde abholen?«
Mike kannte meinen Tagesablauf. Ich hatte seit meiner Kindheit Tanzstunden genommen; mein wöchentlicher Kurs war für mich nicht nur sportliche Betätigung, sondern auch eine Möglichkeit, beruflichen Stress abzubauen.
»Zehn Uhr, vor Williams Studio.«
»Und tu mir einen Gefallen. Hüpf dieses Mal unter die Dusche, bevor du dich anziehst. Als ich dich das letzte Mal nach der Stunde abgeholt habe, hast du gerochen wie eine Ziege.«
»Das letzte Mal«, erinnerte ich ihn, »bist du mitten in der Stunde aufgetaucht, weil du die Leiche eines Vergewaltigers gefunden hattest, hinter dem Mercer und ich seit zwei Jahren her waren. Vertrau mir, ich wird sogar etwas Parfüm auflegen.«
»Ich werd’s dir noch schmackhafter machen. Ich hab dir doch erzählt, dass die Kinder behaupten, Queenie hätte für sie getanzt? Erinnerst du dich?«
»Natürlich.«
»Vor ihrem Gehirnschlag muss sie ein heißer Feger gewesen sein.« Mike nahm einige Fotos aus seiner Aktenmappe. »Du hättest dich gut mit ihr verstanden. Sie war ebenfalls Tänzerin.«
Ich nahm Mike die verblichenen Schwarzweißfotos aus der Hand.
»Siehst du, was ich meine?«, fragte er. »Nur ein bisschen exotischer als du. Denk mal, wie viel Geld sie an den Kostümen gespart hat.«
Auf den meisten Bildern bot die Kamera freien Ausblick auf den Körper von McQueen Ransome. Eine Tiara mit Strasssteinen auf dem Kopf, lange schwarze Seidenhandschuhe bis über die Ellbogen und ein Paar hochhackige Schnürsandalen – sie präsentierte ihre tolle Figur mit viel Selbstbewusstsein und Stolz, offenbar auf einer Bühne vor Publikum. Kein Wunder, dass große Fotografen wie Van Derzee mit ihr gearbeitet hatten.
Ich suchte auf der Rückseite nach irgendwelchen Zeit- oder Ortsangaben. Auf manchen Fotos war handschriftlich das Jahr vermerkt – 1942.
»Wo
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