Der Leichenkeller
würde Paige Vallis angewiesen werden, sich übers Wochenende nicht mit mir über den Fall zu unterhalten. Seine Strategie war offensichtlich, und obwohl ich Einspruch erhob, konnte ich keine triftigen Gründe vorbringen, warum ich die Beweislage mit ihr diskutieren müsste. Ich würde meine Neugier über Harry Strait, der sich nicht wieder hatte blicken lassen, im Zaum halten müssen, bis sie aus dem Zeugenstand entlassen wurde.
Außerdem wollte Robelon nicht, dass die Geschworenen übers Wochenende Paiges Zeugenaussage in wohlwollender Erinnerung behielten. Stattdessen wollte er ihnen einbläuen, dass Paige keine Verletzungen erlitten und demnach wohl eingewilligt hatte.
»Guten Tag, Ms. Vallis, ich bin Peter Robelon.« Damit wollte er deutlich machen, dass er, im Gegensatz zu mir, die Zeugin noch nicht kannte. »Ich entnehme Ihrer Krankenhausakte, dass bei Ihrer Untersuchung keine Verletzungen festgestellt wurden, ist das korrekt?«
»Ja.«
»Irgendwelche Blutungen?«
»Nein.«
»Rötungen oder interne Schwellungen?«
»Ich … äh, nicht dass ich wüsste.«
»Sie hatten keinerlei Beschwerden, richtig?«
»Nicht, nachdem ich das Schlafzimmer Ihres Mandanten verlassen hatte.«
»Keine Wunden, die genäht werden mussten?«
»Nein.«
»Es waren keine Nachfolgeuntersuchungen nötig?«
»Doch, ich musste auf sexuell übertragbare Krankheiten hin untersucht werden«, sagte Paige und sah jetzt den Verteidiger anstelle der Geschworenen an. »Ich machte mir große Sorgen, weil ich zu ungeschütztem Sex gezwungen worden war.« Robelon hatte den gleichen Fehler begangen wie viele Anwälte und es versäumt, sich die scheinbar unleserlichen Notizen des medizinischen Berichts interpretieren zu lassen.
Er bluffte sich durch ein paar weitere Fragen und beschloss dann offenbar, sie noch einmal zu überarbeiten, bevor er das Verhör fortsetzte. Nach knapp zehn Minuten sagte er dem Gericht, dass er bereit sei, die Verhandlung für heute zu beenden.
Moffett entließ die Geschworenen ins Wochenende und befahl den Gerichtspolizisten, Paige Vallis in den Zeugenraum zu bringen, bis ich dafür Sorge getragen hatte, dass sie sicher nach Hause kam. Dann bat er seinen Assistenten, bei Ms. Taggart im Büro nachzufragen, warum sie und Dulles sich verspäteten.
Mercer Wallace war, wie vereinbart, um halb vier gekommen, um Paige nach Hause zu bringen. Er war bei ihr, als ich das Zeugenzimmer betrat.
»Alex«, sagte sie und stand auf. »Ich möchte mich noch einmal für heute Vormittag entschuldigen. Dafür … dafür, dass ich die Sache mit Harry Strait ausgelassen habe. Ich würde Ihnen gerne erklären –«
»Das wäre mir sehr recht, Paige. Aber das muss bis nächste Woche warten. Sie haben mir vor Monaten ohne weiteres erzählt, dass Sie in Notwehr einen Mann umgebracht haben, aber mit einem Ex-Lover, der in diesen Schlamassel verwickelt ist, konnten Sie nicht herausrücken?«
Mercer schüttelte den Kopf; er wollte, dass ich Ruhe gab und Paige eine Verschnaufpause gönnte.
»Ich will Ihnen doch gerade sagen, dass es mir Leid tut. Ich hatte keine Ahnung, dass es relevant sein könnte.«
»Schon gut. Hören Sie, solange Sie Robelons Zeugin sind, kann ich mit Ihnen nur über verwaltungstechnische Dinge reden«, sagte ich.
Maxine war mir gefolgt und reichte Paige ihre Handtasche. Mercer nahm ihre Aktentasche, die sie in meinem Büro abgestellt hatte.
Paige öffnete die Tasche und holte eine braune Papiertüte daraus hervor. »Ich weiß nicht, was ich damit tun soll, deshalb wollte ich sie Ihnen geben, Alex. Das Krankenhaus hat sie mir geschickt, weil sie die Privatadresse von Dulles’ neuen Pflegeeltern nicht wussten.«
Ich zog eine blaue Baseballjacke aus der Tüte. Auf der Rückseite stand in weißen Buchstaben YANKEES, auf der Vorderseite war das Logo des Baseballteams. Ich lächelte. Wenigstens hatten der Junge und ich eine Sache gemeinsam.
»Ich dachte, ich würde ihn heute hier treffen und sie ihm selbst zurückgeben können«, fuhr sie fort. »Deshalb habe ich sie behalten. Ich würde gerne mit ihm sprechen, um zu sehen, wie –«
»Vergessen Sie’s, Paige«, sagte ich. »Vielleicht, wenn das alles hier vorbei ist. Selbst wenn ich wollte, könnte ich Ihnen das jetzt nicht gestatten. Aber die Jacke wird mir sehr helfen, wenn ich Dulles endlich kennen lerne. Sie wird das Eis zwischen uns brechen. Vielleicht kann ich ihm eine Mütze dazu besorgen.«
»Also werden Sie sie ihm von mir geben?«
»Aber
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