Der Leichenkeller
des schicken Stammpublikums von der Upper East Side.
»Hast du dich um die Nachricht gekümmert?«
»Ja. Die Cops hatten versucht, den Rektor der Schule in Tonawanda ausfindig zu machen, um die Namen und Adressen der Kinder zu bekommen. Vor morgen geht gar nichts. Die Schule ist übers Wochenende geschlossen.«
Ich wartete, bis der Ober meine Bestellung – einen Cobb Salad und eine Virgin Mary – aufgenommen hatte. Ich verzichtete auf Alkohol, für den Fall, dass sich heute bei unseren Ermittlungen noch ein Durchbruch ergab. Jake bestellte sich Twinburgers und einen Wodka Tonic.
»Sollen wir den Tag noch mal von vorne anfangen? Willst du mich nicht fragen, wie es mir geht?«, fragte ich.
»Gern«, sagte Jake lächelnd. »Solange du darüber reden willst.«
Ich erzählte ihm, wie sehr mich die Nachricht von Paiges Tod und, schlimmer noch, die Beschuldigung der Detectives getroffen hatten, ich hätte sie nicht ausreichend beschützt. Ich schilderte ihm ihre inneren Verstrickungen und wie viel sie mir verheimlicht hatte, obwohl ich alles getan hatte, um ihr Vertrauen zu gewinnen.
»Glaubst du, dass du alles weißt, was es zu wissen gibt?«
»Das ist wohl nie der Fall«, antwortete ich. »Bewusst oder unbewusst filtern wir immer, was wir anderen erzählen.«
»Immer?«
Ich sah ihn an. »Meistens. Und mit Sicherheit bei den Leuten, mit denen wir keine intime Beziehung haben. Leute wie Paige wollen, dass ich gut über sie denke, sie nicht verurteile oder kritisiere.«
»Und was fangen die Cops mit diesem Harry Strait an?«
»Ein klassischer Fall von Identitätsdiebstahl. Der richtige Strait starb an einem Herzanfall an seinem Schreibtisch. Keine Kontroverse, kein Skandal, kein Verbrechen. Jemand hat sich seine Geburts- und Sterbedaten aus den Unterlagen oder vom Grabstein besorgt, zweifelsohne einen Haufen Dokumente gefälscht und läuft jetzt als Harry Strait herum.«
»Haben sie irgendeine Ahnung, warum?«
»Keinen blassen Schimmer. Und falls er morgen alles in den Mülleimer schmeißt und beschließt, jemand anders zu sein, finden sie vielleicht nie heraus, wer er ist. Sie werden Paiges Wohnung und Büro gründlich durchsuchen. Hoffentlich hat er eine Telefonnummer oder Ähnliches hinterlassen.«
Wir gingen zurück in die Wohnung und verbrachten ein paar ruhige Stunden miteinander, bevor Jake zum Flughafen fuhr. Solange ich mich auf das Hier und Jetzt konzentrierte, fühlte ich mich bei ihm sorgenfrei und glücklich. Nur wenn ich an unsere Zukunft dachte und an die Hürden, die in der Vergangenheit aufgetaucht waren, wurde ich nervös.
Nachdem er gegangen war, machte ich es mir mit Thomas Hardy und den D’Urbervilles auf dem Sofa gemütlich. Die raue Landschaft von Dorset und das Treiben der böswilligen Kräfte des Universums passten wunderbar zu meiner Stimmung.
Am Montagmorgen machte ich mich schon früh auf den gefürchteten Weg ins Büro, um für die Aufregungen im Gefolge von Vallis’ Tod und für meinen Auftritt vor Richter Moffett gerüstet zu sein.
Ich schloss die Tür hinter mir und recherchierte online Gesetzestexte. Ich fand nichts Brauchbares. Als ich nach oben in den Gerichtssaal kam, bot sich mir ein unerwartetes Bild. Tripping, Robelon und Frith saßen am Tisch der Verteidigung. Sie wirkten entspannt und ruhig. Dahinter saß Graham Hoyt neben den Anwälten des Waisenhauses und des Jugendamtes.
Aber die nächsten beiden Reihen waren voller Gerichtsreporter. Ich wusste, dass die Boulevardblätter den Mord in TriBeCa mit der Tatsache, dass Paige Vallis in diesem Fall im Zeugenstand gewesen war, in Zusammenhang brachten. Doch ich vermutete, dass Robelon sie eingeladen hatte, damit sie ihm dabei zusehen konnten, wie er die Aufhebung der Anklage gegen seinen Mandanten erwirkte. Ich hatte gehofft, die Angelegenheit ohne die Presse über die Bühne zu bringen.
Richter Moffett erschien als Letzter. Die Medien waren ihm gegenüber stets fair gewesen, und er würde dafür sorgen, dass sie auch weiterhin positiv über ihn berichteten. Er setzte sich und begann mit einem Statement über den Mord an Paige Vallis und welch großer Zufall es gewesen sei, dass sie an ihrem letzten Tag in seinem Gerichtssaal als Zeugin ausgesagt hatte.
»Möchten Sie einen Antrag stellen, Mr. Robelon?«, fragte Moffett.
»Ja, Euer Ehren. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt möchte ich im Namen meines Mandanten beantragen, sämtliche Anklagepunkte gegen ihn fallen zu lassen. Es spricht eindeutig alles für die
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