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Der letzte Abend der Saison

Der letzte Abend der Saison

Titel: Der letzte Abend der Saison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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entscheiden.
    Er schloss die Tür wieder und spürte in der Hand das Saugen des Vakuums, dann ging er aus der Küche und durch den Flur zurück zur Veranda. Er hatte die Lampe an der Wand ausgeschaltet, setzte sich wieder und sah die Konturen der Bäume wie einen Teppich vor einem hellen Fußboden.
    »Ingemar!«
    Ihre Stimme wirkte wie ein Schalter. Plötzlich leuchtete die Veranda von ihrer Stimme auf.
    »Ingemar! Warum bist du rausgegangen?«
    Er antwortete nicht. Er stand auf und ging zurück durch den Flur und in die Küche.
    »Jetzt bin ich wieder hier«, sagte er.
    »Aber Ing… was soll denn das?«
    »Was ist schon dabei, wenn ich in die Küche komme, Wasser aufsetze und dann für die zwei Minuten, bis es kocht, auf die Veranda gehe?«
    »Du könntest sa…«
    »Kann man sich in seinem eigenen Haus nicht frei bewegen?«
    Sie antwortete nicht und er wusste, was sie dachte. Das ist nicht dein Haus, dachte sie, das ist mein Haus und du kannst froh sein, dass du hier wohnen kannst und dass es nicht viel kostet und dass du jeden Tag mit deiner Mama zusammen sein kannst. Du kannst froh und dankbar sein dafür, Ingemar.
    »Willst du das hier?«, fragte er.
    »Ja, danke, wenn es nicht zu viel Mühe macht.«
    »Hm.«
    »Ich würde es gern selbst machen, wenn ich es nur könnte.«
    »Ich weiß.«
    »Ich kann das meiste selbst.«
    »Das ist doch nicht der Rede wert.«
    Er deckte auf und holte Essen aus dem Kühlschrank. Das Wasser kochte und er goss es in zwei Tassen und stellte eine Packung Teebeutel auf den Tisch.
    »Ich hatte vor, heute Abend auszugehen«, sagte er.
    »Jaha.«
    »Es ist Tanz. Der letzte Abend.«
    »Jaha.«
    »Du willst nicht, dass ich gehe«, sagte er und tauchte den Teebeutel ins Wasser. Als er damit fertig war, gab es keine Ablage dafür und er legte den nassen Beutel auf die Verpackung des Teebeutels.
    »Hol einen Teller«, sagte sie.
    Er stand auf, ging zum Geschirrschrank und holte zwei Untertassen.
    »Du willst nicht, dass ich dorthin gehe«, sagte er, ohne sie anzuschauen.
    »Es ist nur, weil du, als du nach Hause gekommen bist, gesagt hast, du seist müde.«
    »Das ist ja nichts Besonderes.«
    »Du siehst müde aus.«
    »Danke.«
    »Du kannst dich doch einen Moment ausruhen und dann mal sehen, was du machen möchtest«, sagte sie. Er schaute sie an. Es war ihm, als seien ihre Gesichtszüge milder geworden, als sie das gesagt hatte. Sie hatten einen anderen, einen helleren Zug. Er verspürte eine Sehnsucht und eine plötzliche Trauer darüber, wie alles geworden war. Er konnte sich noch an ihr Lächeln erinnern, wie es war, als er ein kleiner Junge gewesen war, vielleicht auch noch später. Das, was jetzt war, war nicht ihre Schuld. Das durfte er nicht vergessen. Das Leben hatte es nicht gut mit ihnen gemeint. Für Leute wie ihn und sie heilte die Zeit keine Wunden. Aber Mutter hielt den Augenblick in ihrem Gesicht fest, berührte ihn fast mit ihrer kleinen verkrümmten Hand.
    »Ruh dich ein wenig aus und dann sieh weiter, Ingemar.«
    »Wenn ich mich jetzt hinlege, komme ich nicht mehr aus dem Bett. Ich will nicht, dass der ganze Freitagabend einfach so vergeht«, sagte er und biss in sein Brot.
    »Wo wird getanzt?«
    »Wo immer getanzt wird.«
    »Mich darfst du nicht fragen, denn ich habe mit Tanzen nichts am Hut.«
    Er antwortete nicht.
    »Tanzen und Rollstuhl passen nicht zusammen«, sagte sie. »Ich habe im Fernsehen einmal eine gesehen, die mit Rollstuhl in einem Tanzsalon war und aufgefordert wurde und dann mit ihrem Tanzherrn herumsauste, der neben ihr hüpfte und lachte.« Ihr Gesicht war wieder hart geworden. Er merkte, dass sie Schmerzen hatte. »Er hüpfte herum und sie wedelte mit den Armen.«
    »Das war sicher nett.«
    »Es sah bekloppt aus«, sagte sie. »Lächerlich war es, es hatte keinen Stil und man kann auch von Leuten, die im Rollstuhl sitzen, Stil verlangen.«
    Er sagte nichts.
    »Vielleicht wäre es besser, man würde uns erschießen.«
    »Bist du fertig?«
    »Wie, fertig?«
    »Bist du fertig mit essen?«
    »Wir haben uns kaum hingesetzt, da willst du schon abdecken und verschwinden?«, sagte sie.
     
    Er ging in sein Zimmer, schloss die Tür und ging zum Fenster. Er machte den linken Flügel auf und merkte, dass die Düfte jetzt, da die Sonne fast völlig verschwunden war, noch stärker waren. Der Himmel war weit und die farbigen Wolkenfetzen sahen aus wie ein Flor, dort hinten, wo die Sonne immer weiter unterging.
    Der August hat ein besonderes Licht, dachte er. Jetzt

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