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Der letzte Abend der Saison

Der letzte Abend der Saison

Titel: Der letzte Abend der Saison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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verletzt«, sagte Ingo. »Am Kopf blutet er.«
    »Wir müssen ihn nach Hause fahren.«
    »Erst muss ich das Plastik auslegen.«
    Ingo ging zum Auto hinüber und öffnete den Kofferraum. Er nahm die Plastikfolie heraus und legte sie auf dem Rücksitz aus. Er hatte Angst um sein Auto, aber er hatte sich niemals beschwert, wenn wir meinen Vater von der Straße auflasen und nach Hause brachten. Dafür bewunderte ich Ingo. Er war sehr cool, wenn es wirklich darauf ankam.
    Wir bugsierten meinen Vater ins Auto und fuhren durch den Ort. Er sagte irgendetwas da hinten, aber als ich nachfragte, war er nicht imstande, es zu wiederholen. Eines Tages würde ich ihn leblos auf der Straße oder auf einer Parkbank finden und er würde nicht mehr antworten. Das wusste ich.
    Plötzlich wurde ihm schrecklich übel. Ingo verzog keine Miene. Wir warteten am Stoppschild, während eine Karawane von Wohnwagen mit Feriengästen vorbeizog. Es war diese Jahreszeit. Die Schlangen vorm Kiosk waren lang. Es gab keinen Wind, nichts rührte sich in den Bäumen. Die Leute, die aus ihren Autos ausstiegen, trugen kurze Hosen.
    »Wie kann man nur in kurzen Hosen herumlaufen?«, fragte Ingo und nickte zum Platz hinüber. »Nicht mal bei vierzig Grad im Schatten würde ich mir so einen schwulen Scheiß anziehen.«
    Wir fuhren am Platz vorbei und bogen vor dem Haus ein. Ich ging zur Wohnung hinauf und richtete alles für die Nacht. Dann ging ich zurück und wir schleiften meinen Vater die Treppen hinauf, wuschen das Gröbste von ihm ab und legten ihn ins Bett. Die Wunde am Kopf war nur oberflächlich. Er murmelte irgendwelche Wortfetzen, aber man konnte nichts davon verstehen. Auf dem Nachttisch lag ein Roman ohne Schutzumschlag. Ich brachte es nicht fertig, auf dem Rücken nachzusehen, welches Buch es war. Auf dem Fußboden lagen Seiten von einer Tageszeitung ausgebreitet. Ich war so selten da oben. Die Spüle war leer, als ob er kürzlich abgespült hätte, doch ich wusste, dass er nicht gegessen hatte.
    »Soll ich einen Eimer holen?«, fragte Ingo.
    Auf der Kommode stand ein Foto von mir und meinen Eltern. Wir lächelten alle in die Kamera. Mein Gesicht war etwas verwischt, als ob ich mich in dem Moment, als das Foto gemacht wurde, bewegt hatte.
    Wir stellten sicher, dass mein Vater sich in der stabilen Seitenlage befand, gingen dann die Treppe hinunter und machten das Auto sauber. Wir fuhren zum Platz zurück und hörten Musik vom Kassettenrekorder. Unser Schweigen war wie ein Trost.
    »Wie kann man nur in kurzen Hosen herumlaufen«, sagte Ingo nach einer Weile.
     
    Sie saßen auf der Wiese, die zum Schilf hinunter abfiel. Karl sah, dass der Steg schief im Wasser hing und dass es dort kein Boot gab. Das ist draußen auf dem See, dachte er.
    Die Sonne war jetzt ohne Wolken und sein Gesicht wurde warm.
    »Warum sitzen wir eigentlich hier und nicht im Auto?«, fragte Ingo.
    »Du warst doch derjenige, der wollte, dass wir uns hinsetzen«, antwortete Karl.
    Die anderen beiden sagten nichts.
    »Das war, als wir herkamen«, sagte Ingo. »Du hast gesagt, wir sollten zum See hinuntergehen.«
    »Es ist ja wie bei einem Picknick hier«, sagte Lars, der die ganze Fahrt über nichts gesagt hatte. Erst jetzt, als sie aus dem Auto gestiegen waren und sich ins Gras gesetzt hatten. »Ich habe seit Urzeiten kein Picknick mehr gemacht.«
    »Du hast ja wohl jeden Samstag Picknick, wenn du da liegst und in die Landschaft spuckst«, sagte Ingo.
    »Schade, dass da unten kein Boot ist«, sagte Karl. »Es wäre nett gewesen, ein Stück rauszufahren.«
    »Jetzt will er auch noch zur See«, sagte Ingo.
    »Ich hätte gerne einen Kahn«, sagte Karl, »ich würde den Geräuschen lauschen, die entstehen, wenn man auf dem Wasser ist.«
    »Wann fangen sie an?«, fragte Lars.
    »In einer halben Stunde«, sagte Sven.
    »Sollen wir ans Wasser hinuntergehen?«, fragte Karl.
    »Wieso denn?«, fragte Sven, der sich mit der Flasche ins Gras gelegt hatte. Er sah mit unbeweglichem Kopf direkt nach oben.
    »Ich mag Seen«, meinte Karl. »Sie geben einem die Chance, wenigstens ein bisschen rauszukommen.«
    »Jetzt ist der Himmel ganz blau«, sagte Sven.
    »Was?«, fragte Ingo.
    »Der Himmel ist ganz blau und es ist warm und es ist der letzte Abend mit Disco. Das fühlt sich irgendwie besonders an.«
    »Du bist auch langsam ganz blau«, sagte Ingo.
    »Ich weiß, was er meint«, sagte Karl. »Es ist ein besonderes Gefühl, das sich den ganzen Sommer lang aufgebaut hat und dem man am letzten

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