Der letzte Abend der Saison
das nicht wiederholen wird«, sagte der Mann.
»Sie hoffen?«
»Jetzt bin ich so ehrlich, wie ich nur sein kann.«
»Sie sind doch nicht ganz dicht«, sagte er. »Wenn Sie uns nicht in Ruhe lassen, rufe ich die Polizei.«
»Für diese Gefühle habe ich Verständnis«, sagte der Mann.
Er ging weg, ehe er etwas dazu sagen konnte, dass der Mann sein Bierglas mitgenommen hatte. Es wäre sinnlos gewesen, etwas zu sagen, und er war froh, dass er es nicht getan hatte.
Als er zum Tisch zurückkam und ihr Gesicht sah und ihren Blick, begriff er, dass der Mann ihm gefolgt war.
»Ich möchte Ihre Frau auch um Entschuldigung bitten«, sagte der Mann und wandte sich ihr zu und beugte sich fast über sie.
Sie antwortete nicht. Er sah, dass sie ängstlich aussah.
»Bitten Sie um Entschuldigung und dann hauen Sie ab, verdammt noch mal«, sagte er.
»Ich bitte um Entschuldigung. Ich bin nicht immer so.« Der Mann drehte sich um, ging durch den Raum und bog dann hinter der Tür links ab.
»Himmel«, sagte sie, »werden wir den nie wieder los?«
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Komm, wir lassen es sein.«
»Was denn?«
»Ich will nicht mehr fahren.«
»Und ich will nichts mehr hören.«
»Über diesem verdammten Bahnhof liegt ein Fluch«, sagte er.
»Besoffene gibt es überall.«
»Das ist es nicht.«
Jetzt war es, als würde sie nicht zuhören.
»Hier saß vorher einer mit Krücken, der hat einen Whiskey nach dem anderen getrunken, und als er weggehen wollte, war das wirklich ein Anblick für die Götter«, sagte sie.
»Hör mir zu.«
»Ich höre.«
»Wir kommen hier nicht weg«, sagte er. »Wir werden diese Reise nicht machen.«
»Wahrscheinlich hast du Recht«, sagte sie. »Irgendwo gibt es einen Zug für uns, doch er geht nicht pünktlich. Kannst du nicht mal nachschauen, ob die Zeit geändert wurde?«
»Ich werde aufstehen, aber nur, um jetzt das Bier zu holen, was ich vorhin nicht bekommen habe.«
»Hol mir noch ein Glas Weißen. Kalt. Ich bleibe hier und halte die Stellung«, sagte sie und lachte.
Sie hatten lange dagesessen, ohne weiter miteinander zu reden. Er war einmal aufgestanden, auf die Toilette gegangen und hatte auf dem Weg die Abfahrtszeit nochmals kontrolliert. Er hatte nach dem Mann Ausschau gehalten, aber er war nicht zu sehen gewesen. Es ist, als würde der Kerl mit unserem Zug unter einer Decke stecken, dachte er. Es gibt ihn, aber man sieht ihn nicht.
»Na?«, fragte sie, als er zurückkam.
»Die Abfahrt verzögert sich um eine weitere Stunde.«
»Das ist ja schlimmer als auf dem Flughafen.«
»Die Leute sollen, wenn sie Zug fahren, das Gefühl haben, als würden sie fliegen«, sagte er. »Das ist ein Teil der Verkaufsstrategie. Alles soll so sein wie beim Fliegen, vorher, während der Reise und danach.«
»Vor allem vorher«, sagte sie. »Eine verdammte Warterei und kein Taxfree. Es gibt Ähnlichkeiten und Unterschiede. Und mehr Besoffene als auf einem Flughafen.«
Bald sind wir auch besoffen, dachte er. Ich schaffe es nicht mehr, noch mal zur Bar zu gehen.
Draußen fing es an, dunkel zu werden. Die Lampen entlang der Wände waren eingeschaltet worden und gaben dem Raum ein Licht, das nicht so richtig wusste, wohin es sich verbreiten sollte, als es in der Mitte des Raumes mit dem absterbenden Tageslicht zusammenstieß. Es ist nicht gut, Licht auf diese Weise zu vermischen, dachte er. Man weiß nicht, von welchem man sich leiten lassen soll. Das schafft Verwirrung.
Sie saßen noch eine Weile da, die Schatten wurden immer länger. Am Ende sahen sie aus wie ein Teil der Farbe an den Wänden.
»Jetzt muss es so weit sein.«
Er antwortete nicht.
»Ich habe das Gefühl, als wäre jetzt etwas passiert.«
»Okay, okay«, sagte er und erhob sich.
»Na?«, fragte sie, als er zurückkam.
»Nichts.«
Es war kurz nach der Dämmerung, wenn man ein paar Minuten lang wie blind ist. Wir hatten unter dem Ahorn an der Kirche geparkt, und als wir wieder etwas erkennen konnten, sahen wir, dass wenige Meter vor uns ein Mensch auf dem Bürgersteig lag. Wir hatten ihn fast überfahren.
»Verdammt noch mal«, sagte Ingo.
Wir stiegen aus dem Auto und gingen zu dem Mann. Ich bemerkte sofort den Geruch von Pisse und Alkohol. Er gab einen schwachen Laut von sich, bewegte den Arm.
»Es ist dein Vater«, sagte Ingo.
Ich antwortete nicht. Ich sprach meinen Vater an und versuchte, eine Antwort von ihm zu bekommen, aber es war mehr ein Geräusch von tief unten aus der Kehle.
»Er hat sich
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