Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
richtige Karriere. Eines Tages interessierte ich mich für Jiu-Jitsu. Damals war es Frauen möglich, das in Turnvereinen zu lernen. Weil Turnvereine irgendwie auch ein Ersatz für ein Elternhaus waren, ging ich in einen Verein und lernte das. Eines Tages machten wir so einen Schauabend mit Kämpfen. Dabei trat ich als eine Frau auf, die vom Büro nach Hause geht und überfallen wird. Ich musste den Angreifer aufs Kreuz legen. Da waren hohe Polizeibeamte unter den Zuschauern. Nach der Veranstaltung baten sie mich um ein Gespräch und sagten, bei der Kripo brauche man dringend Frauen, ob ich nicht Lust hätte, Polizeibeamtin zu werden. Das war damals die absolute Ausnahme, das machte ich also. Meine erste reguläre Stelle kriegte ich beim Sittendezernat in Stettin. Die meisten wissen das heute nicht mehr, aber Stettin war als Seehafen der Ostsee ein ziemlich übles Pflaster mit Hafenszene, Bordellen und so weiter. Wenn du mal als Frau drei Jahre bei der Sitte warst, dann kannst du nicht mehr heiraten, dann ist dir das endgültig vergangen.«
    Das Forellenfilet kam, und sie haute rein, als habe sie eine Woche lang gefastet. »Das ist ja phantastisch!«
    Wir aßen ungefähr zwei Stunden lang, ohne viel zu erzählen, und machten uns dann auf den Rückweg. Im Auto sagte sie unvermittelt: »Weißt du, ich bin eine Praktikerin. Erst findest du einen toten Mann, dann wirst du angerufen und verschwindest eiligst, dann kommst du zurück und sagst, du hast dich gestoßen. Du bist also verprügelt worden.«
    »Ja, ich gebe es zu. Ich werde dir sagen, was passiert ist.« Ich erzählte es ihr, und sie schnaufte, machte »Hm, hm« und murmelte dann: »Es ist wie mit der Hure und der Uhr.«
    »Was war mit der Hure und der Uhr?«
    »Das war einer meiner ersten Fälle in Stettin. Ich hatte Nachtdienst und wurde aus einem Bordell angerufen, ich müsste sofort kommen. Zwei ehrenwerte Geschäftsleute hatten sich dort zwei Huren gekauft und verlangten jetzt ihre Brieftaschen und Uhren zurück. Die Brieftaschen rückten die Huren sofort heraus, eine Uhr auch. Aber eine Uhr, eine goldene Taschenuhr mit einem kleinen Glockenspiel zu jeder vollen Stunde, blieb verschwunden. Ich sagte den Huren, sie sollten gefälligst mitkommen auf die Wache. Dort befahl ich ihnen, sich nackt auszuziehen. Dann verhörte ich sie getrennt. Die zweite Hure stand da erbärmlich frierend vor mir und sagte: ›Frau Kommissarin, ich habe die Uhr nicht, verdammt noch mal, ich habe die Uhr nicht einmal gesehen!‹ In diesem Moment war gerade eine volle Stunde rum, die Uhr spielte laut und unüberhörbar ›Üb immer Treu und Redlichkeit‹, und die Hure wurde totenblass. ›Hol sie raus!‹ sagte ich. Sie lächelte verlegen …«
    »Was hat denn diese Hure und die Taschenuhr mit dem Toten und dem Plastik in seinem Bauch zu tun?«
    »Ganz einfach: Vielleicht klingelt es. Gewisse Dinge kann man aus einem Fall schließen, ohne weitere Untersuchungen anzustellen. Zum Beispiel weißt du mit ziemlicher Sicherheit, dass der tote Mann nicht von einer Person in den Windbruch gebracht worden ist, sondern von mindestens zwei. Also kannst du davon ausgehen, dass wir mindestens zwei Täter haben. Dann hast du die Adresse einer Frau, die nach der Tat im Windbruch war. Glaubst du denn, dass der Tote von einem Mann und einer Frau dorthin gebracht worden ist?«
    »Das kann sein.«
    »Also, dann kann diese Frau, die dort auftauchte, die Frau sein, die half, den Toten in den Windbruch zu tragen. Aber das ist unwahrscheinlich. Was sollte sie dort? Viel wahrscheinlicher ist, dass sie das Foto in der Zeitung gesehen hat und den Toten kennt. Dann wurdest du dort niedergeschlagen, eine sehr männliche Tat. Das kann der Mann sein, der die Leiche ursprünglich dorthin brachte. Wenn aber nun ein oder zwei Menschen, die den Toten zuerst dorthin verfrachteten, an diesen Ort wiederkehren, deutet das darauf hin, dass sie dort etwas verloren haben. Oder aber sie sind überzeugt, dass dort sonst irgendwelche Spuren zurückgeblieben sind, die man vernichten muss. Es müssen Spuren sein, die niemandem bisher aufgefallen sind. Leuchtet das ein?«
    »Ja, das leuchtet ein. Deiner Meinung nach sollte man also den Fundort noch einmal absuchen?«
    »Ja, das sollten wir tun.«
    »Wir? Wieso wir?«
    »Weil ich mitgehe«, sagte sie einfach. »Das interessiert mich.«
    »Bist du verrückt? Das ist ein Dschungel, du musst klettern und kriechen.«
    »Anni ist ein zähes altes Luder«, sagte sie milde.
    »Hast du

Weitere Kostenlose Bücher