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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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glatt war. Ich schlug hin, und ich war wütend.
    »Ihr Scheißgangster«, sagte ich in die Stille.
    Ich sah sie jetzt. Sie hockten links und rechts von einem zertrümmerten Fenster hinter Tischen und Stühlen. Ich hörte nicht auf, sie zu beschimpfen. Ich nannte sie kleinkarierte Angsthasen, Revolverhelden, Stasi-Ochsen und ähnliches. Ich sagte: »Das Einfachste ist, Ihr geht mit der Artillerie einmal durchs Haus. Wenn ihr Sauter findet, gebe ich einen aus.«
    Dann verlor ich das Bewusstsein.
    Es kann nur Sekunden gedauert haben, denn als ich die Augen aufschlug und den stechenden Schmerz im linken Oberschenkel spürte, war die Situation unverändert. Sie hockten immer noch hinter ihren Deckungen. Zuweilen zerreißt die Sonne sehr plötzlich den Nebel. Das ist ein schneller, berauschender Vorgang. Genauso berauschend waren jetzt die Polizeisirenen, die sich zu einem gleichbleibenden Geheul steigerten. Da mussten gut und gern drei oder vier Streifenwagen heranrauschen.
    Der Mann, dessen dunkle Silhouette ich unmittelbar unter dem zertrümmerten Fenster sehen konnte, versuchte mit einem einzigen Sprung in Freiheit zu kommen. Es gelang nicht wie geplant, denn er stieß gegen den oberen Querholm des Fensters. Aber er schaffte es dennoch irgendwie und war verschwunden. Dann folgte der zweite. Nummer drei und vier liefen geduckt zum Fenster. Die Streifenwagen waren jetzt sehr nahe, dann gab es widerlich kreischende Bremsgeräusche.
    »Jungens, versteckt die Waffen«, sagte ich.
    Nummer drei und vier waren jetzt durch das Fenster verschwunden. Neben mir rumorte die Truppe von Marga hinter der Bar herum. Wahrscheinlich versteckten sie ihre Knarren unter leeren Flaschen.
    »Sie sind weg«, sagte ich.
    Dann tauchten sie bleich wie Handkäse wieder auf und schnauften vor Erregung und Angst. Einer von ihnen, ein schwitzender kleiner Dicker, meinte: »Also zwei Sekunden später, und ich hätte durchgezogen.« Dann sah er mich auf dem Boden liegen und bemerkte anerkennend: »Also, das war wirklich eine korrekte Leistung.« Dann sah er die zerschossene Jeans und das Blut und fragte leichthin: »Was meinste, brauchste ’n Arzt?«
    »Das wäre sehr gütig«, sagte ich.
    »Der hat einen Baller am Bein«, sagte der kleine Dicke fast stolz für mich zu den anderen.
    Der Polizist war ein gütiger Vatertyp. Er kniete neben mir nieder, sah sich meinen Oberschenkel an und meinte: »Schwein gehabt, Streifschuss.«
    »Beruhigend«, sagte ich.
    »Wer sind Sie denn?«
    »Baumeister, Siggi Baumeister. Journalist.«
    Irgendwo in der Ferne waren Schüsse zu hören, Männer schrien, aber wir konnten sie nicht verstehen.
    »Brauchen wir also einen Arzt«, sagte der Polizist. »Das wäre nett«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
    Er machte bedenkliche Geräusche mit der Zunge. Dann sagte er kopfschüttelnd: »Dass Ihr Journalisten euch aber immer da herumtreiben müsst, wo es gefährlich ist.« Er war richtig lieb.
    Ich wachte wieder auf, als jemand mein Bein energisch zurechtrückte und dann sagte: »Schneiden Sie dem mal die Hose auf.« Es war ein junger, sachlicher Mensch, der verblüffend schnell arbeitete. Er setzte rund um die Wunde Spritzen, er verband sehr geschickt, er hörte Herztöne und Atmung ab und entschied: »Ab in den Wagen. Röntgen und das Übliche in der Intensiv.«
    »Moment, Moment«, sagte ich. »Ich entscheide: Ich bleibe hier.«
    Der junge, sachliche Mensch sah frustriert aus und seufzte tief. Dann stellte er schlicht fest: »Ich haue ab.« Er ging tatsächlich.
    Irgendwo im Hintergrund sagte Marga: »Darauf öffnen wir jetzt eine Pulle! Sofort! Ich muss mich besaufen!«
    Der väterliche Polizist sah mich eindringlich an und schüttelte besorgt den Kopf.
    Dann stand Marga direkt vor mir und strahlte: »Junge, du bist wirklich klasse!«, und ich glaube, ich errötete sanft.
    »Wo ist denn der Urheber von diesem Chaos hier?«
    »Hier«, sagte Sauter neben mir. »Wollen Sie mal versuchen aufzustehen?«
    »Helfen Sie mal.«
    Wir versuchten es, aber der Erfolg war bescheiden. Ich war so wackelig, dass er mich schnell auf einen Stuhl verfrachtete, bevor ich ihm aus den Händen glitt.
    »Das wird Kunden bringen!«, sagte Marga hell und zufrieden. »So was zieht immer! Vier Wochen ist die Bude voll!«
    Drei der Polizisten, die auf die Verfolgung gegangen waren, kamen mit hochzufriedenen Gesichtern zurück. Einer meldete: »Wir haben sie alle.« Ein zweiter sagte: »Da hat irgendso ein dusseliger Wanderfreund seinen

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