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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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schlürften heißen Kaffee.
    »Wir sollten uns trennen«, sagte sie.
    »Wie das?«
    »Ich gehe da in diesen Windbruch und sehe nach, und du versuchst, diese Frau in Düsseldorf zu erreichen, diese Clara Gütt.«
    »Ich gebe dir Werner besser mit. Werner ist unser Waldarbeiter, allererste Waldarbeitersahne. Du brauchst jemanden, falls du dir etwas brichst.«
    Ich rief also Werner an, und glücklicherweise hatte er ein wenig Zeit. Eine halbe Stunde später ratterte er mit dem Trecker auf den Hof, und ich schob Tante Anni mannhaft keuchend auf den Notsitz über dem linken Hinterrad. »Das ist aber schön«, strahlte sie.
    Werner errötete sanft und gab Gas.
    Ich stand auf dem Hof und sah ihnen nach und war unsicher: Anni war gekommen und hatte gleich die Befehlsgewalt übernommen. Das gefiel mir nicht.
    Ich setzte mich in den Wagen und fuhr nach Düsseldorf. Auf der Autobahn hörte ich im CB-Funk fasziniert zwei Hausfrauen zu, die sich darüber unterhielten, wie verdammt schwierig es ist, zwanzig Kilo Spargel zu schälen. Sagte die eine zur anderen: »Also weisse, bei Möhrchen siehste ja, welche du geschält hast und welche nicht. Aber bei Spargel, dat nich!« Und die andere antwortete ergeben: »Jaa, jaa.«
    Clara Gütt, Immermannstraße 55. Es war ein gesichtsloses Haus, gebaut ganz im Sinne eines Unternehmers, der Wohnungen vermieten wollte, nichts sonst. Sie wohnte im ersten Stock, und zuerst öffnete niemand. Dann erschien doch noch ein dicker, rotgesichtiger Mann in der Haustür und sagte: »Frau Gütt ist nicht da.«
    »Wissen Sie, wo sie ist?«
    »Also ich bin der Hausmeister, ich weiß das immer. Sie ist in der Eifel, sie hat da eine Ferienwohnung oder so. Das ist in Ahrdorf. Sie werden keine Ahnung haben, wenn Sie reinkommen, zeige ich Ihnen auf der Karte …«
    »Ich weiß den Weg«, sagte ich.
    Er wurde eifrig. »Wenn es was Wichtiges ist, also wenn Sie eine Behörde sind oder so, können Sie es mir auch sagen. Ich bin schließlich diskret.« Er sah mich an, und vermutlich war sein Leben langweilig.
    Ich sagte streng: »Das kann ich nicht sagen, es ist sehr vertraulich.« Das Wort vertraulich hauchte ich, so etwas kommt gut an. Seine Augen wurden größer, und er versicherte: »Verstehe, verstehe.«
    Ich fuhr zurück, ich ärgerte mich über das Benzin, das ich so nutzlos in die frische Luft gepustet hatte. Ahrdorf war von meinem Hof nicht weiter als vielleicht zehntausend Meter entfernt. Zuweilen muss man lange Wege gehen, um den kurzen Weg zu begreifen.
    Ich fuhr nicht sofort nach Ahrdorf, ich wollte erst wissen, ob Tante Anni Erfolg gehabt hatte.
    Sie hockte in der Küche am Fenster und rauchte einen Zigarillo. Sie sagte hohl: »Nix, absolut nix. Dein Freund, der Werner, hat sogar zwei Riesenstämme für mich durchgeschnitten. Einfach so, in Sekunden, mit einer Kettensäge. Ich bin da rumgekrochen wie eine Putzfrau, die die Ecken saubermachen muss. Ich habe nichts gefunden. Seitdem hocke ich hier und überlege folgendes: Wieso haben diese Mörder oder die Helfershelfer der Mörder den Toten mitten in diesen Windbruch geschleppt? Der beste Tote ist der, der nicht gefunden wird, niemals entdeckt wird. Ich frage mich, ob sie vielleicht vorhatten, den Toten dort bloß so lange zu deponieren, bis sie ihn ohne Gefahr irgendwie vollkommen verschwinden lassen konnten. Also frage ich dich: Wenn du nicht in diesem Bruch herumgekrochen wärst – wie lange hätte der Tote dort noch unentdeckt liegen können?«
    »Eine gute Frage. Nicht sehr lange. In diesen Wäldern wird seit Monaten pausenlos aufgeräumt, sehr schnell und sehr systematisch. Da fahren Langholzwagen unermüdlich Stämme ab, da sind pausenlos Kolonnen unterwegs, die den Wald wieder auf Vordermann bringen. Allein diese winzige Gemeinde hat hunderttausend Mark investiert, um neue Mischwälder anzupflanzen. Das heißt auf gut Deutsch: In diesem Gebiet bist du nirgendwo lange allein. Überall Arbeitskolonnen, Maschinen, Laster. Jeder, der versucht, eine Leiche zu verbergen, könnte sich alles mögliche aussuchen, nur keinen frischen Windbruch in der Eifel. Mit anderen Worten …«
    »Mit anderen Worten«, sagte sie hastig, »der Tote sollte gefunden werden.«
    »Das denke ich jetzt auch. Er sollte gefunden werden. Aber warum?«
    »Vielleicht ist der Tote ein Code?«, fragte sie.
    »Ein Code für was?«
    »Ein verdecktes Signal für ganz bestimmte Menschen, irgendetwas zu tun oder es nicht zu tun«, sagte sie rätselhaft. Dann schüttelte sie heftig den

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