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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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eigentlich etwas gegen Huren?«, fragte ich unvermittelt.
    »Nein«, sagte sie energisch. »Überhaupt nicht. Die meisten von ihnen hatten nie im Leben eine Chance, irgendetwas anderes zu werden, als sie geworden sind. Warum?«
    »Ich mag Menschen mit Vorurteilen nicht«, sagte ich schlicht.
    »Dein Vater mochte Vorurteile auch nicht.«
    »Ich bin aber nicht mein Vater«, sagte ich scharf. Sie machte mich manchmal wütend.
    »Aber du hast so viel von ihm«, meinte sie leise, schwieg eine Weile und fragte dann: »Was machst du eigentlich beruflich mit dieser Geschichte von dem Toten?«
    »Ich weiß es nicht. Eigentlich kann ich nichts machen. Ich kann die Recherchenstrecke nicht vorfinanzieren.«
    »Wie bitte?«
    »Es kostet viel Geld, so eine Sache zu untersuchen. Das habe ich nicht.«
    »Ich kann es dir ja vorstrecken.«
    Ich sah sie an und wurde hilflos.
    »Ich meine es nur gut. Und wenn du irgendeine Zeitschrift anrufst und sagst, das wäre ein komischer Toter?«
    »Komische Tote gibt es wie Sand am Meer. Kein Mensch kauft eine Katze, von der er nicht einmal die Schwanzspitze sieht. Es ist bis jetzt keine aufsehenerregende Geschichte, verstehst du? Ein Toter, na und? Einer mit Plastik im Bauch, na und? Vielleicht hat eine Ehefrau ihren Ehemann umgebracht, weiß der Himmel. Welcher Hahn soll danach krähen?«
    »Aber du glaubst doch, dass es eine wichtige Geschichte ist, oder?«
    Ich wurde wieder wütend. »Anni, es kommt nicht darauf an, was ich glaube, sondern darauf, ob der Fall geheimnisvoll, grausam, ekelerregend, sensationell oder was weiß ich ist. Und bis jetzt ist er nur geheimnisvoll, sonst nichts.«
    »Bist du in finanziellen Schwierigkeiten?«
    »Anni, tu mir einen Gefallen: Halte dich aus meinen Dingen raus und biete mir nie wieder Geld an. Ich lebe, ich lebe nicht schlecht und versuche, einigermaßen aufrecht durch das Leben zu gehen, sonst nichts.«
    »Du kannst nicht bescheißen, was?« Sie hatte einen seltsamen Ausdruck in den Augen.
    »Wie bitte?«, fragte ich verblüfft.
    »Na ja, du kannst nicht bescheißen, nicht richtig übertreiben, dich nicht verkaufen.«
    Ich musste lachen. »Du bist ein Drache. Wenn ich versuche, jemanden um einen Groschen zu betrügen, sieht der mir das vorher schon an. Ich passe nicht so richtig in diese Zeit. Und jetzt ab, marsch ins Bett.«
    Wir waren zu Haus angekommen. Krümel hatte sich bereits auf der Fensterbank des Schlafzimmers niedergelassen und starrte auf irgendeinen graugetigerten, furchtbar abgemagerten Kater nieder, der vor dem Fenster unter dem Holunder hockte und sie anhimmelte.
    »Du bist eine miese Mata Hari«, sagte ich vorwurfsvoll, aber auf so etwas hörte meine Katze erst gar nicht.
    Es gibt Nächte, in denen ich es genieße, nicht schlafen zu können. Dann lese ich all die Bücher, die ich immer schon lesen wollte, und schlafe darüber ein. Diese Nacht war nicht so, diese Nacht quälten mich Träume, und ich schlief erst gegen vier Uhr richtig ein.
    Um sieben Uhr war die Nacht zu Ende, weil Tante Anni sehr laut und sehr falsch ›Schenkt man sich Rosen in Tirol‹ grölte. Sie stolperte mit der Lautlosigkeit eines Elefanten die Treppe hinauf und hinunter und ging schließlich zu dem Lied ›Ich hatt’ einen Kameraden‹ über. Krümel hockte vollkommen verschreckt unter dem Sessel, und gesetzt den Fall, ich hätte ein Hackebeil unter dem Kopfkissen gehabt, wäre ein ernster Zwischenfall unvermeidlich gewesen. Dann klapperten Tassen und Teller in der Küche, der Kamerad wurde abgelöst von dem schönen Lied ›Mein idealer Lebenszweck ist Borstenvieh und Schweinespeck‹, um dann zu einer sehr lyrischen Version von ›Dunkelrote Rosen‹ überzugehen. Dann war es still. Ich hatte schon die wahnwitzige Hoffnung, sie habe soeben einen Kreislaufzusammenbruch erlitten, aber dann knarrten die Stufen der Treppe, die Tür zu meinem Schlafzimmer öffnete sich mit einem Knall, und da stand Tante Anni mit einem Tablett und fragte unschuldig: »Stehst du auch so gerne früh auf?«
    Ich lachte, bis mir die Tränen kamen, und unterdessen stellte sie das Tablett neben mich, goss mir Kaffee ein und stellte eine Schale Müsli dazu.
    »Bist du verrückt? Müsli ist der sichere Weg, um magenkrank zu werden.«
    »Es ist gesund«, bestimmte sie. Dann musste auch sie lachen, und der uralte graugrüne Bademantel, in den sie sich eingewickelt hatte, zitterte bei ihren Lachsalven. »Ich bin eine verrückte Nudel, ich weiß.«
    Wir hockten da im ersten Licht des Tages und

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