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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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japanischen Jeep so dämlich geparkt, dass er jetzt sechs Einschüsse im Blech hat. Der wird sich wundern.«
    »O nein!«, sagte ich, aber das ging im allgemeinen Siegesgetaumel vollkommen unter.
    Sauter sagte: »Wir bringen Sie jetzt hinauf. Sie gehören ins Bett.«
    Dann schleppten Margas Jungens mich die Treppe hoch und verfrachteten mich auf ein Gästebett. Ich hörte sie unten im Restaurant lärmen, und irgendwer sang sogar ›So ein Tag, so wunderschön wie heute‹.
    Ich muss eingeschlafen sein, denn als ich wach wurde, stand Marga neben dem Bett und sagte: »Wenn du Schmerzen hast, sollst du diese Pillen nehmen, hat der Arzt gesagt. Er ist zurückgekommen und sagte: ›Du stirbst noch nicht.‹«
    Ich nahm sicherheitshalber zwei Tabletten. »Ist Müller vom Bundeskriminalamt schon da?«
    »O ja. Der hat noch mal acht Leute mitgebracht. Sechzehn Bullen in meinem Haus. Das hältste im Kopf nicht aus. Soll ich dir eine Hühnerbrühe machen?«
    »Nein. Aber ein Telefon hätte ich gern.«
    Sie brachte eines an einer sehr langen Schnur, und ich rief bei mir zu Hause an. »Es ist in Ordnung, Anni, alles ausgestanden. Jetzt haben wir an langen Winterabenden viel zu erzählen. Vor morgen kann ich nicht da sein. Kannst du Kartoffeln kochen und ein Schnitzel braten, mit einer ganz dicken, braunen Zwiebelsoße? So richtig fettig?«
    »Das mache ich, mein Junge. Clara ist weg. Sie sagte, sie will sich nach einem neuen Job umsehen.«
    »Ja. Ach übrigens, sag dem Autovertreter bitte, er soll mir einen neuen Wagen bestellen. Der neue ist schon wieder hin.«
    »So? Na ja, wenn’s denn sein muss. Bis bald. Moment mal. Hat schon wieder wer auf dich geschossen?«
    »Ja, ja, aber ich war nicht im Auto.«
    »Na, dann ist ja gut. Tschüss.«
    Müller kam und sagte mir, ich sei wirklich ein Held, große Klasse, und ich bremste ihn und bat: »Schicken Sie mir bitte den Sauter, ich habe noch eine Frage.«
    »Aber sicher«, sagte er und verschwand.
    Sauter kam, hockte sich neben das Bett und wollte in Lobhudeleien ausbrechen. Aber ich sagte ihm, dass ich genug davon bekommen hätte. »Sagen Sie mal, wollen Sie mir nicht den Rest erzählen?«
    Er sah mich an. »Welchen Rest?«
    »Bis jetzt habe ich die Geschichte des westdeutschen Managers, der sich zum Vorteil aller Beteiligten einen DDR-Spionagering ins Haus holt. Was die Spione so getrieben haben, weiß ich auch. Dass die meisten von ihnen tot sind, müssen wir leider akzeptieren. Mir fehlt aber noch eine ganze Menge. Also los.«
    »Sie ahnen etwas, nicht wahr?« Er lächelte schwach, fast melancholisch.
    »Ja, ja, mir fehlt der ganze Teil, den man mit Sauter überschreiben kann.«
    »Also gut. Vor vier Jahren wurde mir die Sache zu heiß. Ich bin schließlich Bundestagsabgeordneter, ich kann nicht beratend für jemanden tätig sein, der über Spione abkassiert. Also wendete ich mich an den Bundesnachrichtendienst.«
    »Und die fanden die Geschichte richtig gut, nicht wahr?«
    Er nickte. »Sie sagten mir, ich hätte alles genau richtig gemacht, und sie würden an dem Arrangement mit der DDR auch gar nichts ändern wollen, solange sie genau im Bilde wären, was läuft.«
    »Aber dabei blieb es nicht.«
    »Nein. Sie zogen im Schatten der DDR-Gruppe in Düsseldorf ein Gegennetz auf. Wenn Grenzow und Konsorten zum Beispiel Fernseher an Dr. Bleibe in Chemnitz lieferten oder Maschinen oder was weiß der Teufel, schleusten sie eigene Leute als Fahrer und Beifahrer durch. Auf diese Weise war die militärische Lage der Ostdeutschen und der Russen im Großraum Chemnitz die im Westen am besten bekannte. Der BND erfuhr ja auch genau, wie Wirtschaftsspione arbeiten. Wenn er seine im Osten arbeitenden Zuträger und Spione mit irgendwas beliefern wollte, ging das über die prächtige DDR-Truppe in Düsseldorf.«
    »Aber der BND konnte doch nicht dulden, dass Kanter und Bleibe daraus ein Privatgeschäft machen«, sagte ich.
    »Warum denn nicht?« fragte er ganz unschuldig. »Was andere machen, ist doch dem BND egal. Hauptsache, sie bekamen, was sie wollten. Also, es war ganz schlicht so: Ein westdeutscher Manager kreierte bei sich einen ostdeutschen Spionagering, der vom Bundesnachrichtendienst kontrolliert wurde.« Dann begann er haltlos und hysterisch zu lachen, bis er weinte.

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