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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Kopf. »Man muss versuchen nicht ins Phantasieren abzugleiten. Was ist mit dieser Clara Gütt?«
    »Sie hat eine Ferienwohnung im Dorf nebenan«, sagte ich. »Ich fahre gleich hin.«
    »Hast du schon eine Ahnung, wer dich niedergeschlagen haben könnte?«
    »Nicht die geringste«, sagte ich. »Hast du Lust auf einen russischen Karawanentee?«
    »Auf was, bitte?«
    »So etwas gibt es wirklich. Und es ist einer der besten Tees, die ich kenne. Stark geräuchert und aromatisch wie guter Wein. Ich mache einen.«
    »Ich bin müde«, sagte sie, und auf einmal sah man es ihr auch an. »Ich habe noch eine Frage: Angenommen, du hättest eine solche Leiche am Hals und müsstest sie verschwinden lassen. Wäre dir das möglich?«
    »Aber ja, kein Problem. Ich würde sie nachts durch Felder und Wälder zu einem der abgelegensten Steinbrüche hier fahren. Es gibt Hunderte. Höhlen gibt es auch. Ich würde den Toten mit schweren Steinen bedecken, anschließend ein paar Büsche darauf pflanzen. Niemand würde ihn finden.«
    »Das dachte ich mir«, murmelte sie. »Also entweder sind es dümmliche Städter, die nicht mit der Natur vertraut sind, oder es sind besonders brutale und raffinierte Menschen.«
    Ich machte uns Tee, wir tranken ihn schweigend. Dann ging sie ins Arbeitszimmer und legte sich auf die Couch, und ich verschwand, um Clara Gütt zu besichtigen.
    Ahrdorf im Ahrtal auf dem langen Weg nach Aachen, Blankenhein, Nürburgring, ist ein winziges, höchst malerisches Dorf mit einer skurril kleinen Kirche, bei der der Turmbau offenkundig schief gegangen ist. Der Turm ist ein hutartiger, völlig schief sitzender kleiner Klotz mit dem Charme des ewigen Provisoriums. Die Wege und Straßen führen verwinkelt und schwer begreifbar hinauf und hinunter, an uralten Gehöften vorbei. Angeblich wurde die Popgruppe BAP hier gegründet, angeblich ist Ahrdorf deshalb so beliebt, weil es hier am Flüsschen einen Campingplatz gibt, auf dem Wohnwagenbesitzer schon seit drei Jahrzehnten die Eifelsonne anbeten.
    Ich fragte eine alte Frau, die mühsam humpelnd aus einer Gasse kam, wo denn die Frau Gütt zu finden sei. Wortlos wies sie auf ein Gebäudeviereck, dass einmal ein Gehöft gewesen war.
    Die Stallungen waren zu Apartments geworden, die Heu- und Strohböden auch. »C. Gütt« stand auf einem Klingelschild. Jemand polterte auf Holzschuhen eine Holztreppe herunter, dann öffnete sich die Tür, und sie stand vor mir und fragte: »Ja bitte?« Sie wirkte vollkommen uninteressiert, verschlafen, nicht ansprechbar, nicht einmal neugierig.
    »Mein Name ist Siggi Baumeister«, sagte ich. »Ich möchte mit Ihnen sprechen.«
    »Sprechen Sie.«
    »Es geht um eine Leiche«, begann ich zögernd. »Sie haben neulich vor Hillesheim am Fundort gestanden und sind dann verschwunden.«
    »Also die Polizei«, stellte sie immer noch eher interesselos fest.
    »Nein, nein, ich bin Journalist.«
    Jetzt war sie interessiert, jetzt erschrak sie. »O Gott!« Dann wollte sie die Tür zuschlagen, besann sich aber dann anders und sah mich verwirrt an.
    »Fressen will ich Sie eigentlich nicht«, meinte ich. »Wenn Sie im Moment nicht gut drauf sind, komme ich wieder, oder ich rufe Sie an. Es ist mir nicht eilig.« Es war mir eilig, aber zugeben durfte ich das nicht.
    »Ich war dort«, sagte sie. »Aber ich war nicht dort, weil ich irgendetwas mit dieser … mit diesem toten Mann zu tun habe. Ich war zufällig dort.« Sie sah auf den mit Katzenkopfsteinen gepflasterten Hof, wich meinem Blick aus.
    Sie hatte ein weiches, sehr hübsches Gesicht, eingerahmt von schulterlangem kastanienbraunen Haar. Das Gesicht glänzte fettig, war ohne jede Schminke, wirkte kindlich und schutzlos. Wahrscheinlich war sie hier, um ihren Teint zu pflegen, ihrer Haut Gelegenheit zu geben, sich von den Giften der Düsseldorfer Luft zu erholen. Alles an ihr war teuer und edel, angefangen von der rohseidenen, beigefarbenen Seidenbluse bis hin zu den Designerjeans und einer massiv goldenen Uhr im Design von Porsche. Sie wirkte lässig cool, wie Jugendliche sagen, sie war jemand, und sie wusste das jede Sekunde. Sie hatte ihre langen Fingernägel feuerrot lackiert, und auf dem Daumen der linken Hand saß ein goldener Ring mit einem schimmernden Aquamarin. Sie war eine Edeltype, sie war das, was mein Patenkind eine Super-Katalog-Tussi nennt. Sie war einen Kopf kleiner als ich, also um die einhundertfünfundsechzig Zentimeter groß.
    »Ich glaube, es ist besser, ich komme an einem anderen Tag wieder«,

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