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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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mir gründlich abgewöhnt.«
    »Also: Sahmer verheiratet, Schulze verheiratet, du ohne festen Freund, von Dr. Vera Grenzow nichts bekannt? Ist das richtig so? Wie schätzt du Vera Grenzow in Bezug auf Männer ein?«
    »Na ja, sie spielt die coole Arrogante, aber ich denke, sie ist genauso ein aufgeregtes Mädchen wie andere auch, wenn es sie erwischt. Aber ich weiß nicht, ob sie darüber reden würde. Nein, ich glaube nicht.«
    »Weißt du zufällig, was sie verdient?«
    »Auf den Pfennig genau. Rein netto hat sie fast achttausend. Kannst du mich eben zu Hause vorbeifahren? Drei Minuten.« Sie lotste mich in die Immermannstraße, und ich wartete, bis sie mit einer großen Segeltuchtasche wieder erschien. »Jetzt fährst du in die Altstadt, dann am Rhein entlang Richtung Duisburg.«
    Auf dem Klingelschild stand nur Grenzow, und auf unser Schellen ertönte sofort der Summer. Wir fuhren mit dem Lift nach oben, und Clara flüsterte: »Ich werde den Mund halten. Vera macht mich immer so unsicher.«
    Vera Grenzow stand in der offenen Wohnungstür und sagte mit sehr zurückhaltendem Lächeln: »Hallo.«
    Ich sagte auch »Hallo« und setzte hinzu: »Baumeister, Siggi Baumeister.« Ich konnte ihr nicht die Hand geben, ich wollte es auch nicht. Ich stand steif da wie ein Ladestock und hätte am liebsten kehrtgemacht. Mit dieser Frau wollte ich instinktiv nichts zu tun haben.
    »Hallo Vera«, murmelte Clara. Sie umarmten sich, und das wirkte für zwei Freundinnen verdammt wenig herzlich.
    Sie war mittelgroß, sehr schlank, sehr gut gebaut. Sie trug eine sehr eindrucksvolle Pagenfrisur, von der ich annahm, dass der beste Friseur der Stadt sie persönlich geformt hatte. Weiße einfache Seidenbluse, schwarzer schlichter knielanger Rock – alles von jener Einfachheit, die so teuer war wie die kleine Rolex an ihrem rechten Handgelenk. Ihr Gesicht war madonnenhaft, herzförmig, mit einem kleinen wohlgeformten Mund unter einer schmalen, wohlgeformten Nase. Sie war so perfekt, dass ich augenblicklich Angst bekam. Und sie hatte steinharte, eisgraue Augen.
    Sie sagte in sanfter, künstlich wirkender Modulation: »Hinein mit euch«, und sie musterte mich mit einem Blick, als erkundige sie sich nach dem Kilopreis für mageres Schweinefleisch. Dann wandte sie sich ab und gab den Weg frei in ihr Reich.
    Vor mir war eine einflügelige Schwingtür. Als ich sie aufstieß, hörte ich Clara sagen: »Weiß du, das mit Jürgens Tod ist einfach so schrecklich, dass wir kommen mussten.«
    »Ja«, sagte Vera Grenzow. »Das ist wirklich schrecklich.«
    Der Raum vor mir war sehr groß und senkte sich zur Fensterfront hin um drei Stufen. Er wirkte wie ein Amphitheater, und er wirkte fast genauso groß. Der Raum maß sicherlich ebenso viele Quadratmeter wie eine Sozialwohnung für ein Ehepaar mit drei Kindern. Weiß war die vorherrschende Farbe, weiß die Wände, weiß alle Möbel, einschließlich der Ledergarnituren, die so groß aussahen wie Doppelbetten. Alles war teuer, alles mit Sicherheit unerschwinglich.
    Der Raum irritierte mich nicht, es waren die Menschen, die mich irritierten. Es waren sicher fünfzehn Menschen in diesem Raum, merkwürdigerweise alles Männer. Sie hockten in Grüppchen herum, sie standen zu zweit beieinander, hielten ein Glas in der Hand.
    Alle sahen schweigend zu der Schwingtür hin, durch die ich kam. Groteskerweise sagte niemand etwas, kein Gemurmel im Raum, nicht einmal ein Glas klirrte. Ich starrte sie an und sagte dann: »Ich bitte darum, mich nicht mit dem Weihnachtsmann zu verwechseln.«
    Hinter mir sagte Vera Grenzow: »Die Clara kennt ihr alle. Das ist Siggi, ein Freund von ihr.«
    »Ich wollte aber nicht stören«, sagte ich über die Schulter.
    »Oh, Sie stören gar nicht«, meinte sie leichthin. »Wir überlegen nur, was jetzt werden soll, nachdem Jürgen Sahmer tot ist.«
    Ich konnte deutlich zwei Gruppen unterscheiden. Die etwas teureren Männer befanden sich alle auf dem unteren Niveau des Raumes, vor den Fenstern. Sie hatten alle die Jacketts lose um die Schultern hängen, und die Jacketts sahen nach Armani aus.
    Die etwas billigeren Ausgaben waren in Dunkelgrau mit langweiligen Krawatten über weißen oder hellblauen Hemden ausgestattet; sie hockten oder standen in der oberen Hälfte des Raumes.
    Diese Männer ließ Vera Grenzow rechts und links liegen und steuerte vor mir her die feineren Grüppchen an. »Das ist Dr. Kanter, der Chef unseres Unternehmens. Das ist Siggi … äh, ich habe nicht

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