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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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drehte sich herum und nickte.
    »Es war mir ein ausgesprochenes Vergnügen«, sagte ich leichthin. Ich stand auf und ging. Es war sehr still, und sie hatten alle aufgehört zu reden. Das Gesicht von Vera Grenzow war weiß vor Zorn.
    Clara sagte atemlos: »Tja, Leute, dann macht’s mal gut.« Dann wurde auch sie unsicher, machte ein paar schnelle, trippelnde Schritte und wusste nicht wohin mit ihren Händen.
    »Ich wünsche noch eine fröhliche Trauerfeier«, sagte ich heiter und erreichte die Schwingtür.
    Als die Wohnungstür hinter uns zufiel, sagte Clara aufschluchzend: »Verdammte Scheiße, damit ist doch mein ganzes Leben im Eimer.«
    »Das ist sehr salopp ausgedrückt«, meinte ich ungerührt. »Aber es stimmt.«
    »Und was wird jetzt aus mir?«
    »Du musst ein neues Leben leben«, sagte ich. Ich hätte sie jetzt gern in den Arm genommen, aber ich traute mich nicht.
    »Aber Vera lügt normalerweise wirklich nicht«, sagte Clara hilflos.
    »Nichts an diesem Fall ist normal«, knurrte ich. Ich war sauer, ich war wütend auf mich. Ein Journalist, der etwas herausfinden will, sollte mögliche Informanten wie rohe Eier behandeln und nicht auf sie eindreschen. Ich war auf einmal wieder so wütend, dass ich Clara ziemlich unsanft in den Wagen schubste und den Schlag hinter ihr zuschlug, als gelte es, sie auf ewig einzuschließen.
    Sie starrte mich erschrocken an.
    »Tut mir Leid. Auf, nach Meckenheim in die Fänge des BKA, aufgemotzt mit ein paar BND-Jungs.«
    »Und wenn die mich behalten?«
    »Tun sie nicht, wenn du artig bist und die Wahrheit sagst.«
    »Und was ist die Wahrheit?«
    »Die Wahrheit ist, dass du die Wahrheit nicht einmal ahnst.«
    Nach einer Weile fragte sie schüchtern: »Warum bist du so grob?«
    »Weil ich nach wie vor die Hoffnung habe, zur Ruhe zu kommen, aufzuhören, mir um meine täglichen Brötchen Sorgen zu machen, endlich ein brauchbares Manuskript abzuliefern. Mit anderen Worten: Ich habe von dieser Welt die Schnauze voll, ich hocke in einem schwarzen Loch.«
    »Aber eigentlich bist du gar kein schlechter Typ«, murmelte sie nach einer Weile.
    Dann mussten wir lachen, und ich mochte sie plötzlich viel lieber als vorher.
    Ich schaltete das Radio ein und erwischte eine der verzweifelsten Musiksendungen dieser Nation: Den ARD-Nachtexpress, eine ziemlich grob dröhnende Mischung von Schnulzen und solchen, die es gern werden wollen. Ein grauenhafter Versuchstenor schluchzte irgendetwas von einem Strand bei Santa Maria. Ich versuchte einen anderen Sender, aber der strahlte gerade eine akustische Sadistin aus, die in ihrer eisernen Härte an eine Blechdose erinnerte. Sie sang etwas von einem Mario, der irgendwo auf sie warten wird, oder sie auf ihn, oder was weiß ich. Jedenfalls lachten wir wieder, womit die segenspendende Nachtarbeit dieser Rundfunkkette bewiesen ist.
    »Ich kann mit Vera nie mehr zusammenarbeiten«, sagte sie plötzlich. »Nach diesem Vorfall geht das nicht mehr.«
    »Das wird ohnehin nicht gehen«, sagte ich. »Ich denke, dass diese beiden Toten nicht nur dein Leben verändern, sie werden auch deine Arbeit verändern.«
    Eine Weile schwieg sie und sagte dann tapfer: »Tja, so wird es sein.«
    Es war jetzt zwei Uhr, die Nacht war dunkel, und ich fuhr nicht allzu schnell, ich rollte zwischen den Lastern dahin. Dann war plötzlich ein Motorradfahrer dicht hinter uns und blieb in meinem Windschatten bis zum Leverkusener Kreuz. Dann zog er davon, schnell wie ein Strich.
    In Köln-Süd bog ich auf die Bahn nach Bonn ab, in Meckenheim-Nord fuhr ich ab. Auf der Landstraße zwischen Bonn und Meckenheim waren wir allein.
    »Zwei Kilometer noch«, sagte ich.
    »Wartest du auf mich?«
    »Aber sicher. Glaubst du, ich lass dich allein in der Höhle des Drachen?«
    »Und wenn es Stunden dauert?«
    »Dann werde ich Stunden warten. Sei gelassen. Die wissen nichts, aber achte bitte auf jedes Wort, was sie sagen. OK?«
    »Ich werde es mir merken, ich bin eine gute Sekretärin.«
    Ich bog in die scharfe Kehre ein, die direkt auf die Schnellstraße hinführt, die am Bundeskriminalamt vorbei verläuft. Die Straßen in diesem Bereich haben nichts von dem Charme alter Verkehrswege, sie sind kalte, breite, überdimensionierte Verbindungsstraßen, die von hohen Erdwällen eingefasst sind, damit die Bevölkerung in den hundert Meter entfernten Siedlungen nicht vollends lärmverrückt wird. Das Gebäude liegt wie eine gewaltige Krake in einer Landschaft, in die es nicht gehört.
    »Achte auf alles, was

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