Der letzte Agent
besten Waschpulver verkaufen kannst, in welche Schachtel, in welche Farbe am besten weiße Krokantpralinen passen. Wie wir den Umsatz steigern, wie wir an den nächsten großen Kunden kommen, ob wir einen Preis im Design kriegen, was für Autos man sich kauft, wo man welche schicken Klamotten gesehen hat, ob du im Urlaub in den Süden gehst oder in Finnland Kajak fährst. Halt all diesen normalen Scheiß.«
»Okay. Nun zu diesem Sahmer. Er war also verheiratet. Was weißt du über die Freunde und Freundinnen der Dr. Grenzow?«
»Na ja, eigentlich nichts. Außer der Sache mit Kanter, also unserem Oberboss in der Konzernleitung.«
»Was war das für eine Sache?«
»Das ist ganz normal, nichts Aufregendes. Ich war Kanters Sekretärin, und ich war ziemlich bald auch privat mit ihm zusammen – jedenfalls meistens. Dann lernte er im Konzernbereich Vera kennen und sagte mir das auch ganz offen. Ich stieg also aus, und er hat seitdem mit ihr … Sonst weiß ich eigentlich …«
»Du machst mich krank!« Ich explodierte fast.
»Wie bitte?« Sie war völlig verunsichert.
»Ich erkläre es dir, ich will nicht platzen. Also: Du sagst, alles sei völlig normal gewesen. Dann erwähnst du dein Liebesverhältnis mit dem eigenen Chef ungefähr so, wie Eifelbauern über ein Schlachtschwein reden. Du tust so, als wäre das alles stinknormal, du gehst mit deinem Chef ins Bett, dann kommt eine andere Frau, die zufällig jetzt auch noch deine Chefin ist, und sie spannt dir den Chef und Liebhaber aus. Das tut doch weh, Mädchen, das macht doch traurig, das ist doch viel mehr als ein Paar neue Jeans oder eine neue Uhr. Mit anderen Worten: Kannst du auch mal etwas menschlicher reagieren als das Gefrierfach in meinem Eisschrank?«
Sie antwortete nicht, sie blickte starr nach rechts aus dem Fenster, und nach einer Weile merkte ich, dass sie lautlos weinte.
Erst als wir die A 3 von Köln nach Düsseldorf erreicht hatten, sagte sie: »Also wenn du mich so fragst, weiß ich von Vera eigentlich nichts. Außer: Sie ist große Klasse im Beruf. Sie sagt immer: ›Ich kann aus Scheiße ebenso Bonbons machen.‹ Das stimmt. Nur dieser Mann, dieser Tote aus dem Wald, den habe ich bei ihr gesehen. Ich irre mich nicht. Denn der Mann sah absolut nicht so aus, als würde er zu Vera passen. Sie ist elegant, ein weiblicher Typ, arrogant fast, sehr zurückhaltend. Ja, und schön ist sie auch. Und Frau Dr. Und sie verdient ein Schweinegeld. Dieser Mann wirkte so wie ein freundlicher, harmloser Eifelbauer. Sicher einen Kopf kleiner als sie.«
»Kannst du dich genau an die Szene erinnern? Wie sah das aus? Vera und du, ihr habt zusammengehockt und Kuchen gegessen. Es schellt. Sie steht auf und geht zur Wohnungstür. Was passierte dann?«
»Also, sie sagte: ›Wer kommt mich denn an so einem Tag besuchen?‹ Dann stand sie auf und ging zur Wohnungstür, machte sie auf, und da stand dieser freundliche, kugelige Kerl und strahlte sie an. Sie sagt, sie sagt … verdammt noch mal, ich krieg’ das nicht mehr zusammen.«
»Einen Namen?«
»Richtig, einen Namen, aber welchen? Halt, ich habe es. Sie sagt ›Volker!‹ Und sie sagt es so, als habe sie mit jedem gerechnet, nur nicht mit diesem Volker.«
»Was passiert dann?«
»Dann sagt sie: ›Komm rein, komm rein!‹ Er kommt auch rein, ein bisschen scheu und verlegen. Ich gebe ihm die Hand, und er murmelt etwas, das ich nicht verstehe.«
»Seinen Nachnamen?«
»Keine Ahnung. Wenn er den gesagt hat, habe ich ihn nicht mitbekommen. Er setzt sich also hin und weiß nicht recht, wie er anfangen soll. Dann sagt er so was wie: ›Ich kam hier grad vorbei und dachte, schau doch mal zu Vera rein.‹ Dann bin ich aufgestanden und habe gesagt: ›Ich muss gehen. Ich bin dann auch gegangen.‹«
»Gut. Er heißt also mit Vornamen Volker. Du hast jetzt sein Bild in der Zeitung gesehen und sofort die Vera angerufen. Sie hat gesagt, der Tote sehe diesem Volker zwar zum Verwechseln ähnlich, aber Volker sei sehr lebendig. Richtig?«
»Richtig.«
»Du hast dann gesagt, Vera würde sicherlich nicht lügen. Glaubst du das immer noch?«
»Nein, irgendetwas stimmt da nicht.«
»Eine weitere Frage: Du bist eine ziemlich hübsche Frau. Ich nehme einmal an, dass du nicht allein lebst. Wer ist dein Freund?«
»Ich habe zur Zeit keinen.«
»Wie lange lebst du schon allein?«
»Seit einem halben Jahr. Bis dahin war es ein Techniker von Siemens, aber der war nicht aufregender als handgestrickte Unterwäsche. Er hat es
Weitere Kostenlose Bücher