Der letzte Agent
jüngeren Männer. Oben die Fahrer und Leibwächter. Ich steuerte die Chefs an, ließ mich bei ihnen nieder und fragte frohgemut: »Machen Sie jetzt die hübsche Firma MICHELLE dicht?«
»Kommt nicht in Frage«, sagte Kanter schnell. Er rauchte eine Zigarre. »Die Firma ist fest im Markt, macht guten Umsatz, hat einen hervorragenden Ruf. Wahrscheinlich klärt sich das mit Schulze auf. Das mit Sahmer deutet für mich darauf hin, dass irgendein Verrückter unterwegs ist. Mit der Firma hat das nicht das geringste zu tun. Das ist privat.«
»Es ist aber schon der zweite«, widersprach ich. »Der Erste war Volker.«
Kanter war nicht die Spur irritiert, doch Bleibe reagierte erschreckt und sah mich mit großen Augen an. Er war ein kleiner, dicklicher Mann um die fünfzig, offensichtlich nervös, der nun schnell und leicht lispelnd fragte: »Wer um Gottes willen ist Volker?«
»Weiß ich nicht«, sagte Kanter ungeduldig. »Es gab einen wohl durchaus ähnlichen Fall in der gleichen Gegend. Soweit ich hörte, nur ein paar Kilometer entfernt von der Leich … vom Tatort mit Dr. Sahmer. Also der Mann ist identifiziert?«
»Ist er nicht«, erklärte ich. »Man sagt, er heißt Volker mit Vornamen. Haben Sie irgendeine Ahnung, was diese Plastikmasse bedeutet? Woher stammt sie?«
»Nicht aus unserem Bereich«, sagte Kanter schnell.
Bleibe entspannte sich und lehnte sich zurück. Er hatte etwas sagen wollen, aber sein großer westlicher Bruder war ihm zuvorgekommen.
»Was haben Sie damit zu tun?«, fragte Kanter.
»Eigentlich nichts«, sagte ich. »Ich habe Volker gefunden. Ich bin Journalist und lebe dort, wo man Volker fand.«
Es war eine Weile still.
»Das wird dann sicherlich ein Gemetzel in der Boulevardpresse.« Die Stimme des Dr. Bleibe war sehr hoch und sehr sächsisch.
»Das glaube ich nicht«, sagte Kanter. »Natürlich ist das für euch im Osten sehr verwirrend. Aber, glaube mir, mein Lieber, wegen dieser merkwürdigen Plastikgeschichte wird man keine Sensation machen.«
»Na ja«, sagte Bleibe nicht sehr überzeugt. Er stand auf und verschwand.
»Für wen arbeiten Sie?«, fragte Kanter.
»Ich arbeite frei«, sagte ich. »Mal für den, mal für den.«
»Und dieser Fall interessiert Sie?« Er lächelte, eigentlich lächelte er ständig.
»Sicher interessiert er mich. Kannten Sie Volker wirklich nicht?«
Sein Kopf zuckte leicht.
»Nein, nein, ich sagte schon, ich kannte ihn nicht. Das Foto in den Zeitungen sagt mir nichts. Wieso?«
»Weil Vera Grenzow ihn kannte. Er war hier. Er war ihr Besucher.«
»Sind Sie sicher?«
»Ziemlich«, meinte ich.
»Und das kann keine Verwechslung sein?«
»Ich denke nicht.«
»Vera!«, rief er.
Sie stand in einer Gruppe junger Männer, die sie anhimmelten. Sie lächelte in die Runde und kam schnell zu uns. »Ja, Liebling?«
»Baumeister hier sagt, du kanntest den Toten. Den aus der Zeitung. Er sagt, der Tote hieß Volker, und er sagt, der Tote war hier.«
»Ja, die Clara hat das auch vermutet. Tatsächlich kenne ich einen Mann, der so ähnlich aussieht wie der Tote. Der Mann hat mir die Installationen in der Küche gelegt, Liebling. Aber tot ist er nicht. Im Gegenteil, es geht ihm gut. Die Ähnlichkeit mit dem Toten ist so frappierend, dass ich ihn anrief. Er ist sehr lebendig.«
»Aha«, sagte Kanter, aber er war sichtlich nicht beruhigt.
»Ich glaube das nicht«, stellte ich nüchtern fest.
Vera Grenzow wurde steif. »Sie müssen es nicht glauben, mein Lieber, so wichtig sind Sie nicht.«
»Na, na«, murmelte Kanter gutmütig. »Sie wollen doch nicht sagen, dass meine Freundin lügt, Baumeister, oder?«
»Soweit ich weiß, drücke ich mich klar aus«, erklärte ich kalt.
Es war sehr still, das Gemurmel der Männer in unserem Rücken klang sehr gedämpft.
»Das ist ja verrückt«, sagte Vera Grenzow hart. »Habe ich das nötig?«
»Scheinbar ja«, sagte ich. »Ich glaube, ich muss jetzt gehen.«
»Bleiben Sie doch noch«, sagte Kanter. »Das ist sicherlich ein Missverständnis. Sagen Sie, haben Sie vielleicht Lust, für meine Presseabteilung zu arbeiten?«
»Nein, habe ich nicht«, antwortete ich. »Da gab es schon mal einen Likörfabrikanten, der ziemlich unsauber war. Und als er wusste, dass ich es weiß, wollte er mich anstellen, um seine Memoiren zu schreiben. Für so viel Geld, dass man darin sämtliche Wahrheiten hätte einpacken können. Clara, lass uns gehen.«
Clara stand neben zwei Männern, die zu den Fahrern und Begleitern zählten. Sie
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