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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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sie reden, achte auf jede Bemerkung«, sagte ich noch einmal.
    Ohne sich noch einmal umzudrehen, ging sie auf den Glaskasten zu, in dem ein Pförtner sitzt, und ich stellte mich mit dem Wagen in die Ausbuchtung einer Bushaltestelle. Anfangs versuchte ich, MC Hammer zuzuhören, aber das machte die Szenerie noch trostloser, wahrscheinlich hätten mir nur die weißen Rosen aus Athen helfen können. Ich versuchte es auch mit zehn Minuten Mozart – aber wahrscheinlich kann überhaupt niemand der Trostlosigkeit Meckenheims bei Nacht etwas entgegensetzen. Irgendwann döste ich ein. Anderthalb Stunden später kam sie offensichtlich fröhlich und beschwingt unter dem Licht der Bogenlampen herangetanzt. Sie setzte sich neben mich und gluckste. »Ich mag ja vielleicht eine Träne gewesen sein, aber ich will es wieder gutmachen. Schimpf nicht und sag nichts. Als ich zu Hause war, habe ich das da eingesteckt, und jetzt hast du neunzig Minuten Bundeskriminalamt original.«
    Sie legte mir einen Walkman auf den Schoß, seufzte tief und rieb sich in diebischem Vergnügen die Hände. Das muss man erlebt haben, das macht Mut: Da marschiert eine junge Frau zur Elite deutscher Kriminalisten und nimmt sie auf Band.
    »Hast du wieder kleines Mädchen gespielt?«
    Sie wurde rot. Sehen konnte ich es nicht, aber sie neigte schnell den Kopf zur Seite. »Das wirkt doch«, sagte sie.
    Ich startete und beschloss, sie wirklich ein wenig zu mögen. »Das Band werde ich in Andacht zu Hause hören. Kannst du kurz sagen, was die Überlegungen der Herren sind?«
    »Mir ist klar, dass sie irgendeinen Spionagering der Stasi aus der ehemaligen DDR vermuten. Irgendetwas muss das alles mit den Stasi-Leuten zu tun haben. Aber sehr sicher wirkten sie nicht. Jedenfalls haben die mich ganz direkt danach gefragt.«
    »Was haben sie gefragt?«
    »Kannst du bitte losfahren? Mir ist das nicht geheuer hier. Sie haben mich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, dass Vera Grenzow und Jürgen Sahmer und Günther Schulze Agenten der Staatssicherheit der ehemaligen DDR sind.«
    »Was hast du geantwortet?«
    »Verdammt verdammt, verdammt …« Sie schlug sich mit der Faust in die linke Handfläche. »Ich habe gesagt, ich kann es mir nicht vorstellen. Ich habe gesagt: ›Undenkbar.‹ Ich habe gesagt: ›Das hätte ich doch irgendwie merken müssen.‹ Aber verdammt noch mal, ich hätte es nicht gemerkt. Verstehst du, ich hätte es niemals bemerkt. Ich war so etwas von naiv, ich war dumm, dämlich, ach was weiß ich. Und sie haben mich auch nach Sven Sauter gefragt. Und ich erinnere mich, dass ich dir das eigentlich sagen wollte.«
    »Wer bitte ist Sven Sauter?«
    »Das ist ein SPD-Bundestagsabgeordneter, ein Spezi von Kanter. Er ist dauernd um Kanter rum, wie ein Satellit. Und sie nennen ihn auch den Satelliten. Und eben bei Vera, da fehlte etwas. Ich dachte dauernd: Irgendeiner fehlt hier. Und richtig: Sauter fehlte. Weißt du, er ist so ein Typ, der gerne Frauen in den Hintern kneift, er säuft auch ziemlich viel. Er ist hoffnungslos von Kanter abhängig. Mensch, fahr doch endlich los!«
    Ich fuhr also los, und diesmal fuhr ich so schnell es ging. »Haben sie irgendetwas über diese Plastikgeschosse gesagt?«
    »Ja, sie haben mich danach gefragt. Aber sie wissen selbst nichts, das merkt man. Natürlich haben sie erwartet, dass ich es weiß. Aber ich weiß nichts. Bis du eigentlich wahnsinnig, Baumeister? Warum rast du so?«
    Ich fuhr ein wenig langsamer, ich drehte SWF 3 auf und gleich wieder ab, weil da ein Bataillon Violinen Schmalz absonderte. »Hast du eigentlich eine Vorstellung, in welcher Stimmung dein Chef Dr. Sahmer war, als er zu dir kommen wollte?«
    »Ich denke dauernd darüber nach. Er muss vorgehabt haben, mir etwas zu erzählen. Ich bin immer schon eine Art Briefkastentante gewesen. Er hat immer seinen Kummer auf den Schreibtisch geschüttet. Wenn er Zoff mit seiner Frau hatte, oder das Geld nicht reichte, oder irgendwas in die Binsen ging. Er kam zu mir und ließ es raus. Ja, ja, ich war seine Kummerecke. Ich denke, er wollte mit irgendeiner großen Sorge zu mir kommen.«
    »Warum hat er sie nicht am Telefon rausgelassen?«
    »Ich vermute, es war ihm so wichtig, dass er am Telefon nicht darüber reden wollte.«
    »Kann es sein, dass er Angst hatte, wahnsinnige Angst, wirkliche Todesangst?«
    »Ich versuche dauernd, mich an seine Stimme zu erinnern. Ich glaube, ich habe diese Stimme noch nie so flach und atemlos, so gepresst erlebt, wenn du weißt, was ich

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