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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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mit ihm verschwunden.«
    »Aber sie haben doch ein Baby«, sagte sie empört.
    »Man kann auch mit Baby verschwinden«, hielt ich dagegen.
    Dann hörten wir es. Es war ein keineswegs hysterisches, sondern eher beruhigendes, kräftiges Babygeschrei. Aber niemand öffnete die Tür, kein Licht ging an. Das Geschrei blieb gleichmäßig.
    »Wir gehen um das Haus«, entschied ich.
    An der Seite des Hauses und dahinter war ein Garten, einfach und außerordentlich sauber gepflegt, fast keimfrei. Hinter dem Haus ein kleiner, mit Betonplatten belegter Platz mit einem neuglänzenden Schaukelgestell und einer Teppichstange.
    »Lieber Himmel, die Tür zum Keller steht auf«, hauchte Clara.
    »Bleib hier. Ich gehe mal rein.« Ich sah mir die Tür an. Sie war aufgebrochen worden. Vermutlich hatte man einen einfachen eisernen Hebel benutzt, denn das Schloss war einfach zur Seite herausgebrochen.
    Es war stockdunkel und roch nach nichts. Ich tastete nach einem Lichtschalter, und als ich einen fand und daran drehte, wurde es schmerzhaft hell. Es war eine Waschküche, sehr ordentlich aufgeräumt, mit einer Waschmaschine und einem Trockner.
    Clara kam herein, und ich bedeutete ihr, leise zu sein.
    »Hallo!«, rief ich nach einer Minute laut.
    Niemand antwortete. Irgendwo über uns schrie das Baby. Es wirkte jetzt quengeliger.
    »Das Kind kann doch nicht allein hier sein«, sagte Clara entrüstet.
    »Ist es wohl auch nicht«, meinte ich hoffnungsvoll. »Komm, lass uns nachsehen.«
    Wir stiegen die Kellertreppe hinauf. Die Tür am Ende der Treppe war angelehnt, nicht geschlossen.
    Selma Schulze lag am Ende des Flures auf dem Rücken. Der Mörder hatte sie mit dem Plastikgeschoss in der linken Leiste erwischt. Sie war bis auf den Slip nackt, und sie war eine schöne Frau gewesen.
    »Sie hat etwas gehört, kam hinuntergerannt und lief ihm genau in die Bahn«, sagte ich tonlos. »Fass nichts an, sieh dich aber vorsichtig und genau um. Und wenn du weißt, wo hier das Telefon steht, geh hin und ruf die Leute vom BKA Meckenheim an.«
    Sie antwortete nicht, sie sah zu, dass sie schnell mit abgewandtem Kopf an der Toten vorbei kam. Ihr Gesicht war schneeweiß. Dann hörte ich, wie sie atemlos sagte: »Sie müssen ganz schnell kommen.« Den Rest verstand ich nicht.
    Alle Möbel waren aus naturbelassener Kiefer; ein paar Stücke der Tischchen und Tische, der Sessel und Hocker sahen so aus, als seien sie selbstgefertigt. Das kleine Haus war sehr gepflegt und sauber, keine Spur irgendeiner Unordnung.
    »Hat er das Haus gekauft?«
    Sie hockte in einem Sessel neben dem Telefon und starrte bleich in den hellbeigen Wollteppich. »Ja. Es ist ein Firmenhaus. Man kann es zu günstigen Bedingungen vom Gehalt abzahlen. Er hat es so gemacht. Meinst du, dass er auch tot ist?«
    »Kann sein. Könntest du zu dem Baby gehen? Es ist zwar eingeschlafen, aber man sollte nachsehen.«
    »Ja, natürlich«, sagte sie erschreckt. »Ich kann mit Babys aber nicht umgehen.«
    »Du bist sicher ein Naturtalent«, beruhigte ich sie.
    »Dann muss ich aber durch den Flur.«
    »Ja«, sagte ich.
    Sie ging, und ich hörte sie die Treppe hinaufsteigen, sehr langsam, Stufe um Stufe. Ich ließ alle Rollläden herunter und folgte ihr dann nach oben. Sie stand an einem Kinderbettchen in einem kleinen Raum. Das Kind schlief.
    »Lass die Rollläden herunter«, sagte ich. »Ich schau’ mich nur mal um.«
    Auch in dieser Etage keine Spur von Unordnung, keine offene Schublade, keine offene Schranktür.
    »Was war Selma von Beruf?«
    »Krankenschwester. Und was ist, wenn das Baby aufwacht?«
    »Das macht nichts, dann singen wir ihm ein Liedchen. Die Polizei wird sich darum kümmern. Es muss doch Verwandte geben. Hatte er Verwandte?«
    »O ja, Schwiegereltern. Hier irgendwo in der Gegend. Seine Eltern leben wohl in Leipzig. Er hat auch einen Bruder, der Rechtsanwalt ist. Mein Gott, das ist alles schrecklich.«
    Wir gingen durch den Keller hinaus auf den Platz mit der Kinderschaukel und rauchten eine Weile schweigend. Als ich die Olivenholzpfeife ausklopfen wollte, brach das Mundstück ab, und ich warf sie in den Garten.
    »Ich verstehe das alles nicht«, murmelte sie. »Ich kann doch nicht diese Katastrophen übersehen haben, die müssen sich doch irgendwie vorbereitet haben.«
    »Vielleicht ist es ein Geistesgestörter«, sagte ich, aber es war nur eine dumme Bemerkung.
    »Ob sie die Vera Grenzow verhaftet haben?«
    »Ich weiß es nicht. Warum?«
    »Weil sie so getan hat, als sei der tote

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