Der letzte Agent
wirklich wissen, zu wem er gehen wollte, wen er treffen wollte. Was wollte er zwischen Mirbach und Hillesheim in diesem zerstörten Wald?«
»War er denn in der Wohnung in Mirbach?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Dort war er auf keinen Fall. Wir haben jeden Quadratzentimeter untersucht. Dort war er nicht.«
»Wo kam er her?«
»Das weiß ich eben nicht«, sagte er. Es klang überzeugend.
»Wenn er in früheren Jahren kam, woher kam er dann üblicherweise?«
»Direkt aus dem Chemnitzer Industrieviertel. Er war offiziell Spezialist für Sondermüll. Er war einer der hohen Leute, die pausenlos mit westdeutschen Regierungsstellen verhandelten, um möglichst viel Geld aus unseren Mülldeponien zu schlagen. Er hatte als Spezialist das Recht, dauernd im Westen rumzukurven. Er war zeitweise mehr hier als in der DDR. Aber seinen Namen kannte ich nicht.«
»Volker war wirklich nur sein Deckname?«, fragte Anni.
»Mit Sicherheit«, sagte er. »Es kann aber keine Schwierigkeit sein herauszufinden, wie er wirklich hieß.« Er wurde lebhaft. »Ich gebe euch einen Tip: Ihr müsst einfach den früheren Sprecher des DDR-Innenministeriums fragen. Zeigt dem ein Bild von Volker, und ihr werdet bald wissen, wer er war.«
Der Arzt kam und schickte uns für zwei Minuten hinaus. Als er wieder ging, fragte er nicht sonderlich interessiert: »Haben Sie des Rätsels Lösung?«
»Mitnichten«, sagte ich ziemlich sauer.
Im Wohnzimmer atmete Günther Schulze tief durch und horchte in sich hinein. »Die Spritzen sind gut«, befand er. »Was wollen Sie noch wissen?«, fragte er müde.
»Alles. Deswegen werden wir uns etwa acht Wochen lang acht Stunden pro Tag unterhalten«, kündigte Müller an.
»Es war bis jetzt ziemlich enttäuschend«, stellte Anni fest.
Ich sagte: »Schreiben Sie Ihre fünf Prozent in den Wind. Bis jetzt ist Ihre Geschichte nicht einmal ein Prozent eines Fliegendrecks wert. Es ist höchstens ein Viertel einer Geschichte. Sie sollten mir wenigstens einen Trostpreis mit auf den Weg geben: Was ist mit diesem Motorradfahrer, diesem Lippelt, eurem Hausmeister?«
»An den habe ich auch gedacht. Aber der ist eben nur das Mädchen für alles. Ein Mann, der ununterbrochen dreckige Witze erzählt und die Wochenenden am Nürburgring verbringt. Er war immer stolz darauf, nur mit Doktoren zusammenzuarbeiten. Aber selbständig denken kann er nicht.«
»Was ist mit dem Bundestagsabgeordneten Sven Sauter?«, fragte Müller, sichtlich ermüdet.
»Der kreist als Trabant unermüdlich um Kanter und liebt kostenlose Saufereien und blonde kleine Mädchen.« Er war jetzt voller Verachtung und fragte plötzlich: »Was habe ich verkehrt gemacht, dass ihr so gelangweilt ausseht?«
Müller erklärte: »Ich glaube, dass es journalistisch betrachtet zunächst eine Null-acht-fünfzehn-Geschichte ist. Das ist es, was Baumeister sagt. Ich habe die undankbare Aufgabe, daraus eine Akte zu machen. Diese Akte ist bisher verdammt dünn.«
»Aber ich denke, die Leute im Westen stehen auf so was«, sagte er.
»Ja, das war richtig. Aber es gibt inzwischen zu viele dieser Geschichten«, erklärte ich. Dann wandte ich mich an Müller: »Darf ich fragen, was Sie erfahren haben?«
»Ich möchte einmal testen, wie gut Sie sind. Haben Sie eine Vorstellung, was es sein könnte?«
»Lassen Sie mich raten. Die Morde und ihr Motiv sind vollkommen ungeklärt. Wir haben Herrn Schulze, der lockig flockig eine eigentlich normale Geschichte erzählt. Und wir haben die Dr. Vera Grenzow, die die Erste unter Gleichen, sozusagen die Hebamme der Crew war. Sie können diese Dame gleich jetzt verhaften, aber ich fürchte, dass sie nach Lage der Dinge über diese brutalen Morde auch nichts weiß. Und da Sie nicht ans Telefon gestürzt sind, um sie verhaften zu lassen, als unser Freund Schulze die Gruppe geschildert hat, nehme ich also an, sie ist Ihnen entwischt.«
»Wie bitte?«, fragte Anni etwas schrill.
»Sieh an, die Vera«, meinte Clara staunend.
»So ist es«, nickte er. »Meine Leute waren mit ihr in einem Hotel. Eine Beamtin bei ihr, Männer in den Zimmern rechts und links von ihr. Sonst niemand auf dem Flur. Sie ist entkommen. Spurlos.«
»Das ist aber hübsch!«, strahlte Schulze.
7. Kapitel
Wenig später kam ein höchst eindrucksvoller BMW auf meinen Hof gerauscht und holte Müller mitsamt seinem Schützling ab. Müller sagte zum Abschied: »Bei Sonnenschein ist die Eifel wirklich phantastisch.«
Die Sonne stand hoch, es musste etwa
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