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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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suchen. Das ist eine Nutte, mit der er lebt. Sie arbeitet in einem schmalen Hotel Garni um die Ecke. Er wohnt in der Gertrudenstraße siebzehn, auch mit dieser Gertie. Aber da ist er erfahrungsgemäß selten.«
    Ich wunderte mich ein wenig, wie genau sie Bescheid wusste. Aber in ihrem Job war sie wohl wirklich gut. Also sagte ich bloß: »Okay. Danke und bleib sauber, oder was man so sagt.«
    »Aber du hast doch gar kein Auto«, sagte sie drängend. Es war klar, sie wollte mit mir kommen.
    »Ich besorg’ mir eins«, sagte ich. »Tut mir Leid, das muss ich alleine machen. Ich kann das Risiko nicht eingehen, dass dir etwas geschieht.«
    Ich sagte ihr nicht, dass ich ein Risiko für sie eigentlich gar nicht sah: Sie war in diesem Spiel die jugendliche Naive, und alle Beteiligten hatten sich blind darauf verlassen, dass es bis zum Ende ihres Lebens so blieb.
    Ich bat Ben in der ›Tasse‹ um sein Auto, und er gab es mir, ohne zu fragen. Es hatte zu regnen begonnen, und ich fuhr vorsichtig.
    Das ›Opossum‹ in Düsseldorf war eine Kneipe, die dermaßen mit verschnörkelter Massiveiche zugestellt war, dass man sie entweder auf Anhieb hasste oder liebte. Ich entschloss mich zur ersten Variante. Aus einer Anlage dröhnte jemand, der dauernd ›Lieb’ Mütterlein mein‹ brüllte und nach zu viel Alkohol klang. An der Theke standen Frauen und Männer in zwei Reihen und tranken Alt, berufsmäßig schnell, versteht sich. Die Tische waren vollbesetzt mit zufrieden wirkenden Ehepaaren, die so aussahen, als besäßen sie alle einen Campingbus mit dazugehörigem Vorzelt. Ausgesprochen junges Volk gab es nicht, es handelte sich eindeutig um die Arrivierten, die nicht mehr ganz jungen Männer mit Bauch, die angemalten Damen mit viel Gold und Glitzer.
    Hinter dem Tresen agierte ein Schnauzbart mit stoischem Gesicht, der seinen Verkauf dadurch ankurbelte, dass er von Zeit zu Zeit einen dreckigen Witz aufsagte und selbst nicht lachte. Das war richtig wunderbar.
    »Einen Apfelsaft willste, Jung?«, fragte er ungläubig. »Du meinst Apfelkorn.«
    Schon lachten sie wieder.
    Als ich meinen Apfelsaft bekam, fragte ich: »Harry und Gertie suche ich, bitteschön.«
    Er schoss einen scharfen Blick auf mich ab und deutete dann über meine Schultern hinweg. »Da sitzt Gertie, Harry kommt später.«
    Ich drehte mich herum. Sie hatte eindeutig die Figur der pretty woman, aber das Gesicht der Heidi Kabel nach sechs Stunden Ohnsorg-Theater. Sie trug etwas Feuerrotes, das ihr knapp über den Hintern reichte. Und selbstverständlich lange Stiefel. Wer macht es schon noch ohne …
    An ihrem Tisch saß eine Träne von Kerl, der sie offenkundig distanzlos anhimmelte und kein Wort sagte, aber so aussah, als würde er im Ernstfall stottern. Gertie war Sünde, und Sünde war angesagt. Ich fasste also mein Glas fester und marschierte auf den Tisch zu, beugte mich zu ihr hinab und fragte: »Kannst du mir eine Verbindung zu Harry Lippelt machen?«
    Sie sah mich kurz an und meinte dann zu der Träne. »Kundschaft, Junge. Mach dich vom Acker!«
    »Heh«, widersprach er, »ich bin auch Kundschaft.«
    »Ja, ja«, sagte sie mürrisch, »aber du bist Kundschaft im Schlussverkauf mit Ratenzahlung. Also marschier schon ab.« Die Träne erhob sich, nahm das Bierglas und entschwand irgendwohin.
    »Ich suche eigentlich nur den Harry«, sagte ich.
    »Das macht ja nix«, sagte sie. »Ich schätze mal, er kommt gleich. Aber gut drauf ist er nicht. Ich sag’ das nur, falls du irgendwas Geschäftliches mit ihm hast. Er ist gar nicht gut drauf.«
    »Das ist mir egal«, meinte ich. »Ich bringe ihm Bares. Wenn er es haben will, gut, wenn nicht, auch gut.«
    Sie grinste mit einem schneeweißen Pferdegebiss, worauf sie stolz war. »Um das Bare kann ich mich auch kümmern.«
    Eigentlich sah sie genauso gierig aus wie ein Haifisch, aber sie war ein sympathischer Hai. Daher reizte ich sie noch ein wenig. »Es kann um eine Menge Geld gehen, das weiß man nicht so genau. Aber du kannst mir wenig helfen, es geht eigentlich nicht um Harry persönlich, sondern um seine Freundin. Du verstehst schon.«
    Sie verstand gar nichts. »Freundin? Wieso Freundin?«
    »Ach, das war nur so’n Ausdruck von mir. Ich meine seine Chefin, diese etwas arrogante Type, diese … diese …«
    »Diese Doktor Grenzow, Frau Doktor. Um die?«
    »Genau um die.«
    »Und was soll er da machen?«
    »Machen soll er gar nichts. Er soll nur ein wenig reden. Komisch, diese Frau.«
    »Sag mal, bist du ein Bulle?«

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