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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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seit Tagen recht unbarmherzig, der Boden war hart wie Beton. Nichts an dem Haus verriet, dass Leben darin war. Kein Küchentuch vor der Haustür, kein frischer Müll in der Plastiktonne, nichts.
    Aber hinter dem Haus eine Yamaha Genesis, schwarz, neu, wie vom Fließband. Bisher war ich recht sorglos gewesen, jetzt wurde ich leise. Dann fiel mir ein, dass ich ein völlig argloser und harmloser Bürger war, und rief, »Hallo!« und schlug kräftig gegen die Holztür.
    Jemand antwortete gedämpft: »Moment, Moment.« Dann drehte sich ein Schlüssel im Schloss, und die Tür ging auf. »Ja, bitte?«, fragte er. Er war ein kleiner, schmaler Mann, dreißig Jahre alt vielleicht. Und er hatte vor Misstrauen verkniffene Augen. »Ja, bitte?«
    »Ich suche Dr. Kanter«, sagte ich möglichst unbefangen.
    »Der ist nicht hier. Da müssen Sie in der Firma in Düsseldorf anrufen. Tagsüber.« Er sprach reines Sächsisch.
    »Es geht darum, dass wir zwei Stück Rotwild hier oben haben, die ziemlich verletzt sind. Da war unten am Bach Kupferdraht zwischen den Erlen. Wilddiebe. Die Rehe haben sich verletzt, sie hinken irgendwo herum. Die müssen abgeschossen werden. Der Förster lässt fragen, ob das der Doktor besorgt, oder wer das machen soll.«
    »Ach so«, sagte er mit merklicher Erleichterung in der Stimme. »Tja, wenn das so ist, dann komm rein. Mir ist sowieso langweilig.« Er war Sachse, er war so eindeutig Sachse, dass es fast weh tat. Und er war einer der Männer, die in Vera Grenzows Wohnung unter den Fahrern und Begleitern gewesen waren. Und er würde mich erkennen, sich erinnern, sobald ich im hellen Licht stand. Er sah aus wie ein Frettchen. Er drehte sich herum und ging vor mir her. Er hatte eine Spirituslampe angezündet, und er meinte mit einem Blick auf die Lampe: »Ich finde das so richtig gemütlich. Bist du also einer von hier?«
    »Ja. Normal arbeite ich im Wald, aber nebenbei mache ich Jagdhilfe und so. Und ich bin Kanters Mann hier in der Gegend. Und was machst du hier?« Ich mied den Lichtkreis der Lampe.
    »Ich warte auf einen Einsatz«, sagte er einfach, als liege er in irgendeinem Krieg an vorderster Stellung.
    »Und was ist so ein Einsatz?« Ein bisschen Neugier schien mir ganz normal.
    »Na ja«, meinte er. »Ein Einsatz ist, wichtige Papiere von Düsseldorf oder Leverkusen zum Chef nach Chemnitz bringen. Das ist ein Einsatz. Die Scheiß-Bundespost funktioniert nicht gut und nicht schnell genug. Telefone funktionieren nicht immer und so weiter und so fort. Also fahre ich schnell.« Er nickte. »Bringt richtig Geld, weißte?«
    »Na sicher, wem sagst du das.« Wenn er es gewesen wäre, der auf Clara und mich im Wagen geschossen hatte, hätte er mich längst erkennen müssen. Also war er es vermutlich nicht gewesen. Ich sagte: »Du löst dich wahrscheinlich mit Harry ab, oder?«
    »Woher weißt du das?«, fragte er schnell und misstrauisch.
    »Weil Harry mir schon oft Sachen gebracht hat. Von Kanter und Vera Grenzow und Sauter und so.«
    »Sauter«, sagte er lang gezogen. »Also bei der Grenzow und Kanter und meinem Chef versteh’ ich das alles ja. Da geht es eben um Kohle und schnelle Entscheidungen und so. Aber den Sauter kann ich nicht verknusen. Sauter ist so ein Politikerschwein, den ich nie verstehen werde. Sauter ist so was von neugierig, das hältst du im Kopf nicht aus. Da hab’ ich mal Papiere hierhergebracht und hier auf den Tisch gelegt. Alle anderen waren draußen hinter der Hütte am Grillen und Saufen. Ich hab’ das auch gemacht. Und plötzlich denke ich: Du musst die Papiere woanders hintun, sonst kann da ja jeder eingucken. Ich gehe also hier rein, und was sehe ich da? Da steht Sauter am Tisch mit so einer winzigen Kamera. Diese Dinger, die nicht mal so groß sind wie eine Streichholzschachtel. Und er holt gerade so einen Mikrofilm aus dem Ding. Er sieht mich und schreckt nicht mal zusammen, ist richtig cool, wie ihr immer sagt. Kein Wort sagt der. Und vor ihm liegt eine Mappe mit Papieren. Das waren keine verschlossenen Briefe, das waren alles lose Blätter. Dann sagt er: ›Wie geht es dir, Georg?‹ Sage ich: ›Gut, aber das sind dem Doktor seine Papiere.‹ Sagte er. ›Na ja, und? Habe ich nichts mit zu tun!‹ Sagt er. Ich sehe die Papiere an, und ich sehe, die liegen in einer anderen Reihenfolge als vorher. Die hat der Sauhund garantiert fotografiert. Ich habe nichts gesagt. Geht mich ja auch nichts an. Aber dem trau’ ich nicht. Willst du ein Bier?«
    Ich war immer noch ganz

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