Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
wenn’s drängt. Ich kriege drei Lappen von dir.«
    »Ich gebe dir fünf, wenn du mir sagst, wo ich Harry finde. Und ich gebe sie besonders gern, wenn du mir sagst, was denn dieser andere Job der Frau Dr. Grenzow war.«
    »Aber das musst du doch wissen, wo du doch sowieso soviel weißt. Sie arbeitet für diesen Geheimdienst, wie heißt er doch gleich …?« Sie grinste herausfordernd.
    »Bundesnachrichtendienst?«
    »Ja, genau für den.«
    »Etwas genauer wäre mir schon lieber gewesen. Egal, also, wo kann ich Harry finden?« Ich reichte ihr fünfhundert Mark, als wäre es gar nichts, und stellte mir meinem Bankmann vor, wie er vorwurfsvoll sagte: »Aber Herr Baumeister, was haben Sie denn mit einer Prostituierten?«
    »Harry ist in meiner Wohnung, Gertrudenstraße siebzehn. Du musst zweimal rechts gehen, ganz einfach. Du musst zweimal kurz schellen, dann dreimal, sonst macht er nicht auf. Und sag’ ihm, er soll Brot und Würstchen kaufen, wir haben nix mehr.«
    »Gutes Geschäft wünsche ich dir. Du bist wirklich klasse!« Ich ging hinaus in das elende, nach Pissoir stinkende Treppenhaus. Sie blieb zurück und pfiff einen Gassenhauer.
    Gertrudenstraße siebzehn war ein Haus aus den Fünfzigern, blau verkachelt, kastenförmig und total heruntergekommen. An der Klingel stand Gertie Wehner, und im Treppenhaus schimpfte eine Frau mit schriller, blecherner Stimme auf zwei Kleinkinder ein. Sie hörte nicht eine Sekunde auf, als ich vorbeiging, sie sagte nur knapp: »Tach auch!« und fuhr dann damit fort, ihren Nachkommen die Furcht Gottes einzubläuen.
    Gertie wohnte im dritten Stock. Vor der Wohnungstür hatte sie eine Kokosmatte liegen, auf der HERZLICH WILLKOMMEN! stand. Ich hatte Herzklopfen. Dann schellte ich kurzentschlossen im vereinbarten Rhythmus und wartete. Es tat sich nichts. Ich wiederholte das Signal. Die Tür gegenüber ging auf, und ein alter Mann streckte den Kopf hinaus. Er hatte vergessen, seine Zahnprothese einzusetzen, und nuschelte: »Harry ist nicht da. Er ist schon weg, seit die Frau heute morgen da war.«
    »Welche Frau? Gertie?«
    »Nee, Gertie war schon lange weg. Nein, diese Chefin von Harry.«
    Ich sagte »Scheiße!«, aber er verstand es nicht. Also sagte ich laut: »Ich komme später wieder.« Er nickte mir durch das Treppengeländer nach.
    Ich rannte zu Bens Wagen und hoffte, dass er irgendein werkzeugähnliches Instrument im Wagen hatte. Im Kofferraum fand ich das lange Ansatzstück eines Wagenhebers. Ich rannte zurück und wartete vor der Wohnungstür, bis ich wieder ruhig atmen konnte. Dann klemmte ich das Ding unter die Tür und hob an.
    Der Erbauer dieses schönen Hauses musste sich darauf eingerichtet haben, dass seine Mieter im Bruch erfahren waren. Also hatte er Metalltüren und Metallzargen verwendet. Bei so etwas kann man sich die kostbare Plastik-Kreditkarte sparen, das gibt doch nur eine Lachnummer mit Plastikabfall. Die einzige Möglichkeit besteht darin, die ganze Tür von unten nach oben zu drücken, so dass vielleicht der schwächste Punkt nachgibt. Entweder es klappt, oder es klappt nicht.
    Diesmal klappte es. Es knallte wie ein Kanonenschuss, als die Tür nach oben aus dem Rahmen flutschte. Ich drückte sie schnell auf und konnte sie hinter mir sogar wieder schließen. Die Wohnung war ganz still und roch intensiv nach Tosca. Das Zeug kenne ich, weil ich einmal in einem Krankenhaus einen Bettnachbarn hatte, der es statt Waschwasser zu verwenden pflegte.
    »Hallo«, sagte ich vorsichtig. Sämtliche Türen, die von einem kleinen Flur ausgingen, standen weit offen. Im Badezimmer und Schlafzimmer war niemand. In der Küche nichts außer einer ziemlich beeindruckenden Ansammlung leerer Flaschen. Im Wohnzimmer saß jemand im Sessel, mit dem Rücken zu mir. Ich sagte zaghaft »Hallo«, aber ich wusste schon, dass ich keine Antwort bekommen würde. Harry saß leicht vornübergeneigt und konnte nicht fallen, weil seine angewinkelten Knie gegen die Tischkante stießen. Er hatte den Schuss mitten in die Brust bekommen, die Plastikmasse sah aus wie ein obszönes blassrosa Ungeheuer aus dem Weltraum. Sie hatte ihn aufgefressen, erstickt, platzen lassen.
    Harrys Augen standen weit offen, und seine rechte Hand krallte sich in die Sessellehne.
    »Man hat dich aufgeblasen und platzen lassen«, sagte ich traurig, nur um die Stille zu verscheuchen.
    Ich ging zum Telefon und rief mein Zuhause in der Eifel an. »Anni, hör zu. Nimm Clara und verdrück dich. Ich fürchte, da ist einiges außer

Weitere Kostenlose Bücher