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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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verdattert über seine Auskunftsfreude. Er hielt mich offensichtlich für eingeweiht. Das musste ich ausnutzen. Also sagte ich: »Nee, kann ich einen Kaffee machen?«
    »Na sicher. Wenn du das hier kennst, weißt du ja, wo alles ist.« Er holte sich im Eisschrank eine Flasche Bier, und ich suchte aus dem Hängeschrank über der Spüle Kaffee und Filtertüten raus. Zum Glück fand ich sie auf Anhieb. Ich überlegte, wo er seine Waffe haben könnte. Er trug ein schwarzes T-Shirt über Jeans, er konnte sie nicht am Körper haben.
    »Da hast du Recht. Ich arbeite auch nicht gern für Sauter«, sagte ich. »Manchmal tut er so, als sei er der Chef, und irgendwie regt mich das auf.«
    »Na ja, er macht ja nur die Absicherung vom Konzern in Bonn. Die Lobby, die Werbung. Er ist ein Scheißangeber.«
    »Genau«, sagte ich. »Am liebsten arbeite ich für die Vera Grenzow. Das geht schnell, wird gut bezahlt, und sie fragt nicht.«
    »Vera ist wirklich gut«, meinte er beifällig und rülpste. »Sie hat längst vor der Wende meinem Chef alles besorgt, was er wollte. Also die ganze Palette vom Computer bis zu Spülmaschine. Und das ging glatt und gut, kein Mensch hatte irgendwelche Malessen. Aber dieser blöde Sauter hat einmal die Chose fast geschmissen, weil er den großen IBM-Computer nicht über Ungarn schicken wollte, obwohl ich sagte: ›Jeder andere Weg ist gefährlich!‹ Aber er hat rumposaunt: ›Was ich schicke, kommt an, ohne dass irgendeiner es sieht.‹ Und dann mussten wir dem blöden Volkspolizeioberst auf Rügen noch zweitausend bare Dollar in die Tasche stecken, weil der den ganzen IBM-Transport gefilzt hat. Der Sauter ist ein Arschloch, und ich denke: Wenn so Leute mich regieren, kann ich es auch selbst machen.«
    »Kannst du auch«, sagte ich.
    Das Wasser kochte. Seine Lederjacke hatte er über eine Stuhllehne gebreitet. Wahrscheinlich war seine Waffe in der Jacke.
    »Also ich finde, wie Kanter und Bleibe vor der Wende zusammengearbeitet haben, das funktionierte besser als jetzt. Jeder dumme Hund kann uns nach allem Möglichen fragen. Und alles ist demokratisch und erlaubt.« Ich sah zu, wie der Kaffee durch den Filter sickerte. Dabei konnte ich mein Gesicht weiter halb abgewandt halten.
    »Sicher«, er nickte heftig und rülpste wieder. »Genau, sag’ ich auch immer. Aber was willst du machen. Wir wollten die Demokratie und die Westmark. Und nun haben wir sie und müssen uns irgendwie arrangieren. Aber ich denke mir: Solange ich für Bleibe und Kanter und Vera und so arbeiten kann, passiert mir nichts. Ab-so-lut nichts.«
    »Ich muss mal pinkeln.« Ich ging in den Schatten an der Wand entlang zur Tür, trat hinaus, lief um die Hausecke und riß die Zündungskabel aus der Maschine. Dann stellte ich mich an die Hausecke und pinkelte mit Genuss. Das Frettchen kam heraus und sagte nach einem Blick in den Himmel: »Hier fehlt nur ein Swimmingpool, in den man reinhüpfen kann.«
    »Ich muss weiter«, sagte ich. »Was machen wir jetzt mit den Rehen?«
    »Ich sage Kanter Bescheid«, meinte er. »He, dein Kaffee steht noch auf dem Tisch.«
    »Den hätte ich fast vergessen.« Wir gingen also wieder hinein, und ich hockte mich ihm gegenüber an den Tisch und trank von meinem Kaffee. Ich hoffte nur, das Zwielicht der Spirituslampe schützte mich weiter. Am liebsten hätte ich mich hinter dem Kaffeebecher versteckt.
    »Meine Alte macht Schwierigkeiten«, meinte er vertraulich. »Ich hab’ das Problem, dass ich zu oft von Chemnitz weg bin. Neulich hat sie in einer Bar in einem Hotel zu bedienen angefangen, und ich hab’ nur durch Zufall davon erfahren.«
    »In unserem Job sind Weiber schlecht«, sagte ich. Die Einsamkeit des Agenten: Fast tat er mir ein wenig Leid.
    »Da sagst du was«, stimmte er zu. Er war müde, und das war gut so.
    Aus diesem Blickwinkel sah ich, dass er seine Waffe in der linken Innentasche der Lederjacke stecken hatte. Die Frage war nur, wie ich darankommen konnte.
    Es war merkwürdig, ich fühlte keine Furcht, ich wartete mit beinahe heiterer Gelassenheit auf die Sekunde, in der er sagen würde: »Warte mal, ich hab’ dich doch neulich bei Vera gesehen«, oder irgendetwas in der Art. Ich dachte: Es ist gleichgültig, ob er dich jetzt erkennt oder zehn Minuten später. Du musst ihn ausnutzen, du musst ihn jetzt ausnutzen!
    »Das mit Sahmer war keine gute Lösung«, sagte ich.
    »Wieso nicht?«, fragte er lebhaft. »Sahmer drehte eben durch, da war nichts zu machen. Da hilft nur die schnelle

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