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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Bullen sind schon unterwegs.«
    »Wieso denn Polizei?«, stöhnte er schmerzverzerrt. »Was soll denn die Polizei mit mir? Wieso holst du denn die Bullen? Was haben die damit zu tun?«
    Dann schwieg er und versuchte wahrscheinlich Klarheit darüber zu gewinnen, ob ich schießen würde. Und ehe er zu irgendeinem Schluss kommen konnte, schoss ein Streifenwagen unter Blaulicht heran. Die Beamten näherten sich mit gezogenen Waffen. Der Größere von beiden fragte vorsichtig: »Baumeister?«
    »Das bin ich.«
    »Wir sollen hier jemand einsacken und wegbringen. Schöne Grüße von einem Herrn Müller.«
    »Da bin ich aber froh«, sagte ich.
    Ich sah ihnen nach, wie sie mit ihrer Fracht abrauschten. Ein Punkt war erledigt: Selma. Sonst nichts, sonst absolut nichts. Und selbst Selmas Tod war ohne Hintergrund.
    Irgendwo heulte eine Sirene. Die Feuerwehrleute mussten aus den Betten.

8. Kapitel
    Journalisten kennen das: Ob der Täter zum Ort seiner Tat zurückkommt, wagen wir zu bezweifeln, aber dass Journalisten an den Ort einer Tat zurückkehren, ist notwendiger Alltag. Wir stehen da, schauen uns um und fragen, ob wir etwas übersehen oder vergessen haben.
    So fuhr ich nach Ahrdorf, bog in die Straße nach Ahütte ein, parkte und ging denselben Weg, den der Chef von Clara Gütt gegangen war, als er getötet wurde. Wenn man mich heute fragte, warum ich das mitten in der Nacht tat, so wüsste ich selbst keine Antwort.
    Die hässlichen Plastikstreifen, mit denen die Kripoleute den Tatort abgegrenzt hatten, lagen herum wie Reste eines fröhlichen Festes. Ich ging bis zu dem Punkt, an dem ich in den Hof mit Clara Gütts Wohnung sehen konnte. Es war zwar Nacht, aber hell genug, um die Szenerie zu erkennen.
    Müllers Männer erledigten ihren Job routiniert und sehr geschickt. Aber zweifellos wusste das ganze Dorf Bescheid, denn niemand, schon gar nicht ein Fremder, kann sich dort aufhalten, ohne gesehen zu werden. Ihr Wagen stand schräg gegenüber der Toreinfahrt zu Clara Gütts Innenhof. Ein Mann saß hinter dem Steuer und rauchte gemächlich eine Zigarette. Der zweite Mann stand im Licht einer Telefonzelle auf der Längsseite des Hauses. Es war wahrscheinlich vernünftig, sich direkt in das Licht zu stellen, denn vermutlich wurde er sowieso von allen Nachbarn beäugt.
    Es gab einen toten Winkel von der Ahr her. Von dort konnte jemand sehr leicht an das Haus herankommen. Aber wer sollte das versuchen angesichts dieses Aufmarsches von Beamten? Niemand würde so verrückt sein. Außer Baumeister vielleicht …
    Ich überlegte, was sich auf diesen wenigen Quadratkilometern Eifel alles zugetragen hatte: Der Mord an dem Mann namens Volker, der Mord an Dr. Jürgen Sahmer. Harry Lippelt war hier rumgekurvt, in Mirbach hatte die Gruppe eine konspirative Zentrale eingerichtet, wie man das im Geheimdienstlatein nannte. Clara Gütt hatte hier gewohnt, kein Zweifel, dass Vera Grenzow das gewusst hatte; wahrscheinlich war sie dort auch schon zu Gast gewesen. Wenige Kilometer entfernt das Jagdhaus des Dr. Helmut Kanter, Chef von Clara, Chef von Vera Grenzow, Günther Schulze, Jürgen Sahmer, dem Geschäftspartner des Chefs vom Frettchen, das ich mattgesetzt hatte, und Schutzpatron des merkwürdigen Abgeordneten Sven Sauter, der seinerseits offenkundig mit allen anderen zu tun gehabt hatte.
    Ich hätte in diesen Sekunden einen Hundertmarkschein für ein Telefon gegeben, um Müller tausend Fragen zu stellen. Dann lief ich den Wiesenhang hinunter. Ich überquerte die Dorfstraße im Dunkel hundert Meter unterhalb des Mannes an der Telefonzelle, ging zwischen zwei kleineren Neubauten hindurch, erreichte den Hof eines Bauunternehmers, kletterte über Stein- und Kieshaufen, drückte mich an Kanalröhren aus Beton vorbei und erreichte einen vergammelten, verrosteten Zaun.
    Ich schlich in die Wiese hinein, die ungemäht war, und schlug mich nach links. Als ich weit genug gegangen war, wendete ich und steuerte mein Ziel an. Wenn mich meine Nase nicht trog und ich das Haus erreichte, dann musste dort eine Tür sein. Es gab keinen Eifler Bauernhof, der hinten zur hauseigenen Wiese hinaus keine Tür hatte. Wahrscheinlich wurde sie nicht mehr benutzt.
    Die Tür war da, aber die findigen Besitzer hatten immer mehr Bretter darüber genagelt, um sie dicht zu bekommen. Ich stand vor einem ziemlich dicken hölzernen Verhau. Normalerweise schlägt man so etwas mit dem stumpfen Kopf einer Axt ein, aber es war sicher jetzt nicht ratsam, einen derartigen Krach zu

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