Der letzte Agent
veranstalten. Ich stemmte mich also ohne große Hoffnung mit der Schulter dagegen und wäre beinahe in einen uralten steinernen Schweinetrog gefallen. Der hölzerne Verhau öffnete und schloss sich so leicht wie eine gut geölte Tür. Ich stand in einem alten Stall. Es roch jedenfalls so, aber sehen konnte ich so gut wie nichts. Ich wartete einige Minuten, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, dann machte ich einen Holzstapel aus, alte Kisten, verrottete Regale, Drahtrollen, einen alten Trecker, kurz all das, was Bauern, die keine mehr sind, in Ställe, die nicht mehr benutzt werden, hineinpacken. Ich kam nur langsam vorwärts.
Dann stand ich vor einer weiß gekalkten Mauer, die die Begrenzung zum Wohnhaus sein musste. Es gab zwei alte Türen, die beide verschlossen waren. Ich versuchte, mich daran zu erinnern, wie der Eingangsraum unterhalb von Clara Gütts Wohnung ausgehen hatte. Ich konnte mich nicht mehr erinnern und wählte die rechte Tür. Ich suchte lange nach irgendeinem Werkzeug und fand einen alten Maurerspatel und einen verrosteten Schraubenzieher. Ich fummelte an dem Schloss herum, konnte es tatsächlich lockern und den Schraubenzieher zwischen Tür und Zarge klemmen. Dann gab ich leichten Druck. Es rumpelte etwas vorschriftswidrig, weil zu laut, aber ich habe noch nie behauptet, ein guter Einbrecher zu sein.
Ich sah auf die Uhr und bemerkte durch das Flurfenster eine Bewegung auf dem Hof. Wahrscheinlich war das der Kriminalbeamte aus dem Auto. Ich verharrte einfach fünf Minuten in totaler Stille, dann sah ich, wie er langsam wieder aus dem Hof herausging und auf die Straße trat. Er war vielleicht ein phantastischer Kripomann oder Spion oder was auch immer, aber er war ein elender Beobachter.
Ich ging zur Treppe und kroch auf allen vieren hinauf. Dann öffnete ich die Tür zu einem großen Zimmer und schloss sie hinter mir.
Hier waren die Lichtverhältnisse zwar ein wenig besser, aber ich wartete sicherheitshalber einige Minuten, ehe ich mit der Untersuchung begann. Eine Peitschenlampe, deren Schein durch das rechte Fenster fiel, half mir dabei.
Es gibt Sekunden im Leben, in denen man die Augen zusammenkneift und inständig darum bittet, sie vorerst nicht mehr öffnen zu müssen. Die Frau war zwischen einem Sessel und dem Couchtisch auf den Boden geglitten und lag auf dem Bauch. Ich weiß nicht, warum ich sie erst jetzt sah, wahrscheinlich waren ihr dunkler Pulli und die schwarze Hose schuld. Sie lag vollkommen steif mit ausgestreckten Armen da.
»He!«, sagte ich, weil ich die absurde Hoffnung hatte, sie sei ohnmächtig oder schlafe. Aber sie war kühl. Als ich an ihren Hals tastete, war dort kein Puls.
»Scheiß drauf!«, fluchte ich laut, stand auf, ging zur Tür und machte das Licht an. Dann ging ich zurück und starrte auf sie herunter.
»Lieber Himmel, warum musstest du das hier tun? He? Wie kommst du hierher? Was soll diese Scheiße?« Ich war verwirrt und wütend bis zur Atemlosigkeit.
Unten vor dem Haus war das Getrappel eiliger Schritte zu hören, dann polterten sie die Treppe hinauf und machten mehr Lärm als eine Kompanie Bundeswehr.
Der, der die Tür zuerst erreichte, ließ sie aufknallen und präsentierte seine Waffe so, wie ich es im Krimi im Fernsehen schon zum Kotzen finde. Er hielt sie beidhändig vor seinem Gesicht und ließ sie wildentschlossen durch den Raum kreisen.
Ich sagte: »Nicht das auch noch!«
Sein Gesicht war purpurrot. »Hände hoch!«, schrie er fast hysterisch schrill.
»Ich habe sie doch schon hoch«, murmelte ich. »Nicht nervös werden, bitte.«
Der zweite kam herein. Er war groß und mächtig, und seine Nase machte den Eindruck, als tunke er sie gelegentlich in scharfen Schnaps.
»Das gibt es doch gar nicht«, sagte er atemlos. »Wer sind Sie? Wer ist diese Frau da?«
»Also ich bin der Siggi Baumeister von nebenan. Die Frau ist Dr. Vera Grenzow, und meiner Ansicht nach ist sie mausetot.«
»So«, sagte er hilflos. Dann sah er seinen Kumpan an. Der schüttelte den Kopf. Dann schwiegen sie erst einmal. »Wie kommen Sie denn überhaupt hierher?«, fragte der Massige schließlich zögernd.
»Durch die alte Stalltür, die Sie nicht beachtet haben.«
»Und die Frau da?«
»Das weiß ich nicht. Vermutlich auf dem gleichen Weg.«
»Wir nehmen Sie fest, wir nehmen Sie fest«, drohte der mit dem roten Gesicht. Dann steckte er die Waffe weg.
»Warum denn?«, fragte ich wütend. »Wenn ich nicht das Licht angeknipst hätte, hätte ich ja
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