Der Letzte Askanier
wirklich einen Glücksgriff getan. Der spielte den Markgrafen so echt, daß man vergessen konnte, wo seine Wiege gestanden hatte: in einer Bauernkate bei Niemegk, ein paar Meilen von Potsdam entfernt.
Elisabeth indes kniete draußen im Flur vor dem Marienbild und dankte dem Herrn, daß er seinem Diener, dem Erzbischof, noch rechtzeitig die Augen geöffnet hatte.
Der Erzbischof wartete, bis die Schar der Begeisterten den Pilger wieder freigegeben hatte, um ihn zu fragen, welche Ziele er verfolge. »Seid Ihr gekommen, um wieder in Eurem Lande zu regieren und als Fürst zu leben?«
Rehbock zögerte mit einer Antwort, denn dies war mit Henning von Nienkerken noch nicht abgesprochen. »Ich bin die Armut gewohnt …«
»Und habt noch keine Pläne?«
Rehbock fürchtete, das Verhör werde nun weitergehen, und hielt sich lieber bedeckt. »Nun, zweierlei scheint mir von Wichtigkeit. Das eine ist, daß meine Vettern, Herzog Rudolf von Sachsen und die Fürsten Waldemar und Albrecht von Anhalt, als meine Erben Anerkennung finden und die Lande erhalten, aus denen sie nach meinem Weggang verdrängt worden sind. Sie sind meine Lehnserben, und sie sollen die Mark Brandenburg in meinem Namen regieren. Das Land soll nicht länger die Beute eines Fremden sein. Zum zweiten möchte ich von Euch hören, ob die Klagen über Ludwig berechtigt sind.«
Der Erzbischof nickte. »Sie sind es. Und daher bin ich über Euren Entschluß, weiterhin bußfertig und in Armut zu leben, wenig erfreut. Herzog Rudolf die Mark regieren zu lassen, schafft keine Abhilfe – Ihr selber müßt es tun, nur Ihr habt den Segen Gottes und die Liebe der Menschen. Der Beistand meines Erzstiftes sei Euch gewiß. Markgraf Waldemar, Ihr müßt der Stimme Gottes gehorchen und Euer Amt antreten.«
Die Umstehenden hörten es und gaben es weiter, und Augenblicke später brach der ganze Saal in Hochrufe aus.
Rehbock hatte Mühe, dies alles zu erfassen. Die Huldigung der Menschen war fast zuviel für ihn. So hatten sie nicht einmal dem Sultan in Jerusalem zugejubelt. Er sah sie schon vor sich, die Bürger von Spandau, Berlin, Frankfurt und Prenzlau, wie sie ihn ebenso hochleben ließen wie die Magdeburger hier. Warum gerade ihn? Warum war gerade er auserwählt worden? Das war dieselbe Frage, die Jesus sich gestellt hatte. Warum gerade ich? Es gab nur eine Antwort: Die Wege des Herrn sind unergründlich.
Henning von Nienkerken wartete, bis sie Rehbock in ein seitliches Gemach geführt und eingekleidet hatten, wie es einem Fürsten geziemte. Der erste Schritt war getan, aber ein langer Weg lag noch vor ihnen. Waldemars Verwandte mußten alle gewonnen werden und dann natürlich König Karl. Und Ludwig, der nicht eben sehr an Brandenburg hing, würde sich die Beute dennoch nicht ganz ohne Kampf und Krieg entreißen lassen.
Da führten sie Rehbock, der nun standesgemäß gekleidet war, zu einem prachtvollen Schimmel und ließen ihn durch Magdeburg reiten. Die ganze Stadt verfiel in einen nie gekannten Jubel, obwohl die Brandenburger hier im Grunde wenig galten. Doch bei diesem Manne war es etwas anderes.
Jakob Rehbock genoß seinen Triumph aus ganzem Herzen. Dabei sah er sich manchmal als Müller am Straßenrand stehen und hinaufschauen zum Fürsten, dem Waldemar, der einst in seiner Mühle vor dem Gewitter Unterschlupf gesucht hatte.
War er nun Rehbock, oder war er Waldemar, oder war er beides?
DRITTERTEIL
Mit Fahnen und Trompetenschall
KAPITEL 12
1348 – Zauche, Havelland, Spandau, Berlin und Brandenburg/Havel
M einhard von Attenweiler lebte nun schon seit über einer Woche bei Guntzo Köpcke und seiner Bande, wobei er sowohl ihr Bruder als auch ihr Gefangener war. Coppekin hatte ihn noch keinen Moment aus den Augen gelassen, so daß es sinnlos war, an Flucht zu denken. Nachts lag der Räuber stets an seiner Seite und hatte zudem den leichten Schlaf eines Hütehundes. Unter vielen Mühen und Gefahren zogen sie hinauf nach Norden, um sich an den Ruppiner Grafen zu rächen. Um Beute brauchten sie sich derweil nicht zu bemühen, denn das Geld der Elisabeth Purucker war selbstverständlich unter den Brüdern aufgeteilt worden, und man hatte Wein und Lebensmittel ganz legal in Brietzen gekauft. Mit Guntzo, dem Hauptmann, verstand sich Meinhard ganz ausgezeichnet, einen Kampfgefährten wie ihn hatte er sich zeitlebens gewünscht. Die tiefe Sympathie, die beide füreinander empfanden, machte aber Coppekin so eifersüchtig, daß Meinhard Angst hatte, der
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