Der Letzte Askanier
Gastlichkeit anzunehmen, bis daß ich zu Ende gesprochen und Ihr gültig entschieden habt. Denn so Ihr urteilt, ich sei nicht der, der ich vorgebe zu sein, bin ich ja ein Täuscher in Eurem Sinn und unwürdig, in Eurer Nähe zu sein.« Rehbock konnte es nicht fassen, daß diese fein ziselierten Worte so leicht aus seinem Munde flossen wie das Wasser aus der Quelle. Das war nicht er, der da sprach, der tumbe Müller aus dem Oderland, das war ein anderer, das war der Herr Jesus Christus, der sich seiner bediente. Ihn hatte er auserwählt für sein großes Werk – und darum war ihm die mitreißende Rede gelungen.
»Nun …« Herzlich und aufmunternd war das Lächeln des Erzbischofs.
Dieser Gauner, dachte Henning von Nienkerken im selben Augenblick, der rechnet schon, welche Teile Brandenburgs er Rehbock als Preis für sein Entgegenkommen später abknöpfen und seinem Magdeburger Gebiete zuschlagen kann.
Rehbock fühlte sich nun als Sieger und wuchs damit in seiner Rolle. »Der Waldemar, den sein Volk beweint hat«, fuhr er fort, »und den Ihr den ›Großen‹ nanntet, der war auch nur ein Mensch mit Fehlern und Schwächen. Ihr saht ihn auf dem Schlachtfeld siegen, im Rat mit Weisheit glänzen, aber wenn er den Purpurmantel abgeworfen hatte und die Nacht gekommen war, dann sah es oftmals anders aus mit ihm, dann rang er mit den bösen Geistern. Das hat kein Auge geschaut und kein Ohr zu hören bekommen. Von Euch weiß keiner, was sein Herz so fürchterlich bedrückte …«
Der Erzbischof nickte. »Es gingen Gerüchte um …«
»Ja, ein Mann wie Waldemar war umstellt von Neidern.«
»Es wurde viel getuschelt«, warf der Graf von Anhalt ein. »Denn kinderlos war seine Ehe, obwohl es in seiner Familie stets Kinder gab in Hülle und Fülle. Und von den Prinzen seines wie meines Hauses, die so zahllos waren, daß man ihre Namen verwechselte, starb einer nach dem anderen. Aber nicht auf dem Felde der Ehre, sondern im Siechbett zu Hause. Das mußte ihm zu Herzen gehen.«
»Und ging mir!« fiel Rehbock ein. »Ihr wißt ja, daß ich in meiner Jugend meines Vetters Tochter Agnes zur Frau genommen habe, und um mich aus der blutschänderischen Umarmung zu lösen, bin ich nach Jerusalem gezogen. Agnes sollte zu einem anderen Manne kommen und viele Kinder haben. Das stolze Haus Askanien sollte nicht meinetwegen untergehen.«
Fast hätte Henning von Nienkerken in die Hände geklatscht, so überzeugend war Rehbock diese Passage gelungen. Die große Bewährungsprobe, das wußte er, kam aber noch.
Auch der Erzbischof mußte noch gewisse Zweifel haben, denn er bat den Pilger mit maliziösem Lächeln, so schien es Henning von Nienkerken jedenfalls, fortzufahren mit seinem Bericht. »… wie habt Ihr aber in Chorin beigesetzt werden können, wo Ihr doch schon auf dem Wege nach Jerusalem wart?«
Rehbock ließ sich von Henning von Nienkerken ein großes Sacktuch reichen, um sich Schweiß und Tränen vom Gesicht zu wischen, aber auch gehörig zu schneuzen.
»Ja, nun … Im Sommer 1319 war ich am Ende mit dem Leben. Ich war es satt, Markgraf zu sein, eitel und selbstgefällig, und wollte nur noch eines: Buße tun am Grabe des Herrn. Wer seine Missetat leugnet, dem wird es nicht gelingen; wer sie aber bekennt und läßt, der wird Barmherzigkeit erlangen. So steht es bei Salomo geschrieben. Und ich? Ich wollte aller Herrlichkeit entsagen, sterben für die Menschen und die äußere Welt und nur noch leben für ihn, den einen, der durch den Tod zum Leben führt. Im Fieber lag ich auf dem Bett, so siech, daß es mir schien, als sei ich wirklich gestorben …«
Henning von Nienkerken verzog das Gesicht. Das klang nun doch ganz stark nach Märchen, und wenn auch die meisten der Schauder erfaßte, so begannen einige leise zu lachen. Zwar war der Herzog von Sachsen inzwischen eingenickt und damit ungefährlich, aber der Graf von Anhalt starrte düster vor sich hin, und der Erzbischof hatte die Hände in den Gürtel gestützt und schaute ganz nach einem Scharfrichter aus.
»Nun wollt Ihr uns sicher erzählen, wie sie Euch für tot gehalten und die Grabplatte auf die Gruft gehoben haben …«
Rehbock seufzte tief und schüttelte den Kopf. »Nein. Aber es ist Euer gutes Recht, Beweise zu fordern. Wie soll ich die aber erbringen, da das, was nun geschah, unter vier Augen ablief, nur ein treuer Diener und ich beteiligt waren. Und der wird lange schon gestorben sein, geredet haben wird er nie, das schwör ich mit dem höchsten
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