Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
Vom Netzwerk:
hatte. Auch dann nicht, als der Bürgermeister auf einem Podest erschien und auf etwa zwanzig Männer zeigte, die zu seinen Füßen standen und kräftige Holzprügel in den Händen hielten.
    »Wer von diesen Männern hier das Schwein erschlägt, erhält nicht nur selbiges zum Geschenk von mir, sondern auch noch diesen Beutel voller Geld.«
    Die Leute jauchzten vor Vergnügen, aber Meinhard verstand dennoch nichts. Schweine wurden in unzähligen Ställen getötet, was in Gottes Namen sollte daran so aufregend sein?
    Das begriff er erst, als er die Männer auf Geheiß des Bürgermeisters losstürzen sah.
    »Die sind ja blind!«
    Das Spektakel begann. Die Blinden schlugen auf alles los, was ihnen in den Weg geriet, und prügelten vor allem auf sich selber ein, während das Schwein in Panik umherrannte und viele der Männer über den Haufen warf. Das Vergnügen der Zuschauer kannte keine Grenzen mehr, sie sprangen hoch, sie schrien und juchzten, sie lachten Tränen.
    Meinhard wandte sich ab. Einerseits war das Ganze wirklich komisch, andererseits aber dauerten ihn die armen Teufel, die man da aufeinander losgelassen hatte.
    Das nächste Schauspiel sollte noch um einiges grausamer werden. Als einer der Blinden das Schwein endlich mit einem Schlag auf den Schädel erledigt hatte und als umjubelter Sieger von dannen zog, wurde auf dem Markt Gericht gehalten. Der herzogliche Richter und seine Schöffen nahmen ihre Plätze ein, während sich die Kerkerknechte mit dem Delinquenten einen Weg durch die Menge bahnten. Sie hatten ihm die Hände auf dem Rücken festgebunden und stießen ihn grob vor sich her.
    »Der Apeke Klenz«, zischelten die Leute. »Am Pranger haben sie ihn alle angespuckt.«
    »Was hat er denn getan?« wollte Meinhard wissen.
    »Der Base Hanna auf dem Markt das ganze Geld gestohlen.«
    Das Procedere begann. Stolz betrat der Richter das Podest, verbot den Schöffen das Verlassen des Platzes ohne seine Erlaubnis und wandte sich an den Angeklagten.
    »Apeke Klenz, nachdem du auf frischer Tat ertappt worden bist und bei der Befragung deine Missetat gestanden hast, frage ich dich: Willst du einen Fürsprecher benennen?«
    »Nein«, erwiderte Apeke, der ein biederer Knecht zu sein schien und keiner, der sich für Guntzos Truppe geeignet hätte.
    Ein Raunen ging durch die Menge, und von hinten rief ein älterer Mann, daß man doch Milde walten lassen sollte. »Das ist ein armer reuiger Sünder!«
    »Hackt ihm die Hände ab!« schrie es dagegen von der anderen Seite.
    Der Richter verlangte Ruhe und verkündete das Urteil. »Apeke Klenz, der ohne peinliche Befragung gestanden hat und reuig ist, verurteilen wir im Namen unseres hochwürdigsten Herrn, des Herzogs, zum Abhacken des Daumens und des Schwurfingers. Allfort darf er unsere Stadt nicht mehr betreten.«
    Die Menge jubelte, Apeke schrie. Die Gerichtsdiener zerrten ihn fort.
    Meinhard war es nach diesem Urteilsspruch siedend heiß geworden, und unwillkürlich umklammerte er seine Finger, um sich zu vergewissern, daß sie noch vorhanden waren. Er fragte Guntzo, ob es nicht an der Zeit wäre, Belzig zu verlassen.
    »Wie du willst«, sagte der Hauptmann grinsend, der seine Ängste wohl spürte. »Paß aber auf: Die Angst zieht deine Feinde an wie das Aas die Geier.«
    Doch es war ausgerechnet Guntzo, der sie in arge Nöte brachte, denn plötzlich schrie einer der Belziger Bürger, der gaffend in seiner Haustür stand, hysterisch auf: »Der Guntzo Köpcke ist in der Stadt! Faßt ihn, ihr Leute!«
    Der Ruf hatte dieselbe Wirkung, als wäre ein Feuer ausgebrochen. Die Leute stürzten herbei, so schien es Meinhard, wie schwirrende Pfeile. Er schaffte es noch, sich aufs Pferd zu schwingen, Guntzo ebenfalls, doch die Flucht war ihm verstellt, als ein Stadtknecht seinem Roß die Lanze in die Flanke stieß, das verletzte Tier steil in die Höhe stieg und nicht mehr zu halten war.
    Für Meinhard war es eine schwere Entscheidung: Hätte er die Flucht ergriffen, so wäre das eine elegante Trennung von Guntzos Bande gewesen, aber er hätte auch den Freund verraten und dem Henker ausgeliefert. Fast zu lange schwankte er, denn viele Hände griffen schon nach ihm und seinem Pferd. Da riß er Guntzo Köpcke zu sich hoch.
    Beide sprengten sie dem Tor entgegen.
    »Die Tore zu!« schrie es hinter ihnen.
    Die Havel war kein wilder Fluß. Träge schlängelte sie sich durch sumpfige Wiesen, durch flaches Heideland, vorbei an Kiefernwäldern, und nur in der Potsdamer Gegend tauchten

Weitere Kostenlose Bücher