Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
Vom Netzwerk:
den Arm. »Laßt, reißt Eure Wunden nicht auf! Erzählt uns nur, wie es Euch gelang, aus dem Heiligen Land wieder in die Heimat zu kommen. Wer war's, der Eure Ketten brach, wer führte Euch wieder nach Brandenburg zurück? Sprecht, wir sind alle voller Mitgefühl!«
    Du Heuchler, dachte Henning von Nienkerken, auf den Zahn fühlen will er ihm nur, hoffend, daß sich der Pilger doch noch in Widersprüche verwickelte.
    Rehbock fühlte sich müde und ausgelaugt, alle seine Kräfte schienen verbraucht, und er hätte hinsinken mögen zu einem tagelangen Schlaf. Die Befragung durch den Bischof kam ihm mehr und mehr wie eine Folter vor. Jede Frage fuhr ihm wie eine glühende Nadel in den Leib. Wäre er doch bloß in Bärwalde geblieben, hätte sich auf den Trümmern seiner Mühle eine Hütte gebaut und dort auf ein Ende in Frieden gewartet. Mit der Erschöpfung wuchs die Verzweiflung. Herr, warum hast du mich aus dem Mutterleibe kommen lassen? In ihm war Hiobs Stimme. Ach, wäre ich doch umgekommen und hätte mich nie ein Auge erblickt! Und wenn es denn Gottes Wille war, daß er als Waldemar die Brandenburger Lande erretten sollte, so war das viel zuviel für ihn, eine Last, die er nicht tragen konnte. Ist denn mein Leben nicht kurz? So höre auf und lasse ab von mir, daß ich ein wenig erquickt werde. Seine Brust wurde eng, der Atem blieb ihm weg, er taumelte und wäre zu Boden gestürzt, hätte Henning von Nienkerken ihn nicht aufgefangen.
    »Was die Sarazenen nicht geschafft haben, das schafft Ihr!« fuhr Henning von Nienkerken den Magdeburger Kirchenfürsten an. »Markgraf Waldemar zu töten.«
    »Das wollt ich nicht, verzeiht!« Otto war die Szene sichtlich peinlich, und er wußte, daß sie ihn Sympathien kosten würde.
    Henning von Nienkerken begriff, daß sie jetzt das Spiel gewinnen konnten, wenn Rehbock nur noch einmal die Kräfte zusammennahm und den Abgang aus Jerusalem so schilderte, wie sie's abgesprochen hatten. »Los jetzt!« zischte er und stieß dem Müller heimlich die Faust in die Seite. Mit einem unterdrückten Schmerzenslaut machte der einen Schritt nach vorne.
    »Laßt nur!« Rehbock fühlte sich schon deutlich besser. »Wie ich heimgefunden habe, wollt Ihr wissen? Andere Pilger brachten schlimme Nachrichten aus meinem Lande mit. Von den litauischen Mordbrennern, von den Räuberbanden in den Wäldern und vom bayerischen Markgrafen, der das Land nicht liebt und verkommen läßt. Die Nachrichten raubten mir den Schlaf, denn ich sah das allein als meine Schuld. Wäre ich in Brandenburg geblieben, hätte es dies Unheil nicht gegeben. In meinen Träumen erschienen mir die unglücklichen Menschen: arm, hungernd, vertrieben und totgeschlagen. Da – eines Nachts – hörte ich Gottes Stimme: ›Gehe hin und befreie dein Volk!‹ – ›Herr, gib mir die Kraft dazu!‹ schrie ich zum Himmel empor. ›Nicht um meinetwillen, sondern ihnen zum Heil zerbrich meine Ketten!‹ Und der Herr gab mir die Kraft. Mit Blindheit schlug er die Heiden, so daß ich aus ihrem Lager fliehen konnte, und er blies seinen Hauch in die Segel, so daß mich die Schiffe glücklich übers Mittelmeer trugen. Er schlug mit Blindheit Ludwigs Vögte, die mich ebensowenig ergreifen konnten wie all die Räuber, die es versuchten. Nun stehe ich hier vor Euch!«
    Endlich erteilte Erzbischof Otto seinem Oberkämmerer die Weisung, auf die alle schon gewartet hatten: »Bringt diesem Manne hier die Kleider, die ihm geziemen, denn er ist wahrhaftig der Markgraf Waldemar! Lobet den Herrn, ihr Gläubigen!«
    Nun gab es kein Halten mehr. Alles drängte sich an Rehbock heran, über Tische und Bänke hinweg und von den Galerien herab. Die Kämmerer und Diener bemühten sich vergeblich, den Andrang von den Fürsten fernzuhalten. Aber nicht nur im Saal selber schwappte die Begeisterung über, auch von draußen stürzten sie herein, um das Wunder zu bestaunen. Denn war es nicht ein Wunder, einen Mann zu sehen, der als armer Pilger gekommen war und nun als Fürst vor ihnen stand? Stolz wie ein König blickte er in die Runde, und er redete mit seinen Anverwandten aus Anhalt und Sachsen.
    »Mein Vetter«, sagte er zum Grafen von Anhalt, »laßt es zwischen uns wieder so sein wie früher.«
    Auch dem Herzog von Sachsen schüttelte Jakob Rehbock voller Freude die Hand, als hätte er schon immer mit ihm gejagt und gezecht.
    Henning von Nienkerken sah es mit der Genugtuung eines Gauklers, dem ein neuer Taschenspielertrick gelungen war. Mit Rehbock hatte er

Weitere Kostenlose Bücher