Der letzte Aufguss
Vergleich zweier Proben aus dem Archiv des Instituts. Und deshalb
leerte Kevin Shields auch seinen Tresor bis auf die letzten Krümel, nachdem Sie
ihn über Cleesewoods Forschungsergebnis informiert hatten. Er wollte nicht,
dass die Polizei bei einer möglichen Razzia etwas findet. Ja, Kevin Shields ging sogar noch weiter, um sein Ansehen zu schützen â er erinnerte sich an
seine alte Profession und brach in mein Haus ein, wo er die Forschungsarbeit
vermutete.«
»Davon hatte ich keine Ahnung«, sagte Kokushi. »Das müssen Sie mir
glauben. Es gibt keinen Grund, weiteres Kokain zu vernichten.«
Bietigheim zog die Augenbrauen empor. »Ach so? Dachten Sie wirklich,
Sie erhalten es zurück? Endstation Granta, Pit!«
Und damit landete der ganze Rest des Kokains im Fluss. Zumindest sah
es für Kokushi so aus. In Wirklichkeit befand sich in den Beuteln bloÃ
Puderzucker. Das echte Schmuggelgut lagerte noch immer im Teesack.
»Denken Sie nicht daran zu fliehen. Pit wird Sie gleich an die
Polizeibehörden übergeben. Und morgen werden Sie aus den Medien erfahren, wer
den Earl und Jonathan Cleesewood auf dem Gewissen hat. Ich hoffe, Sie nie
wieder zu sehen. Sie sind eine Schande für alle Kulinaristen der Welt. Und eine
Schande für die Menschheit!«
Mehrere Stunden später schlossen sich die Türen des ältesten Pubs
der Stadt, des Pickerel Inn in der Magdalene Street, um von innen verriegelt zu
werden. Sämtliche Gäste waren von Bietigheim zu diesem exklusiven und absolut
einmaligen Pub-Quiz geladen worden. Die Getränke waren frei, denn der
Ausrichter des Abends wollte, dass die Zungen sich lockerten.
Vor allem die Zunge der Person, welche die Morde gestehen sollte.
Rena hatte die Organisation des Abends in die Hand genommen und die
verbliebenen Mitglieder der Port Wine Society eingespannt. Joel Payne stand vor
dem Hintereingang Wache, Oz Clarke drauÃen vor den Klofenstern. Niemand würde
dieses Gebäude unbemerkt verlassen können. So war es der Wunsch, oder besser:
der Befehl des Professors gewesen.
Sie waren alle gekommen: W. W. Stuart, Master des St Johnʼs College,
Putzfrau Beatrice Pond und ihr Mann Henry, der allergische Pförtner. Direkt von
ihrer Teeplantage eingetroffen waren Dame Julia Wenbosca und ihr Mann Sir
Godehard Wenbosca, den Bietigheim nun erstmals zu Gesicht bekam: ein Mann mit
raspelkurzem Haar und einem zu Spiralen aufgezwirbelten Oberlippenbart. Die
Witwe von Timothy Martin James Charles Eugene, dem 17. Earl von Shropsborough,
Countess Elisabeth, war anwesend ebenso wie Diana Shields, Tochter des
verstorbenen Teehändlers Kevin Shields und Herrin über Auntieʼs Tea House, Asha
Ghalib, Sekretärin im Institut für Kulinaristik, und Colin Inniskeen mit einem
unwillig dreinblickenden Professor Töler. Die Runde komplettierten Richard A. Unsworth,
der Belfry Maintenance Officer der Bell Ringers von Great St Maryʼs, der
Gerichtsmediziner Dr. Cumberland und zwei Mitglieder der Port Wine Society â
Robert Parker und Jancis Robinson â, die zusätzlich an dem Quiz teilnehmen
würden.
Bietigheim stellte sich so zwischen zwei sechsarmige Kerzenleuchter,
dass sein Gesicht dramatisch beleuchtet wurde. »Der Preis für den heutigen
Gewinner ist sehr klein und sehr elektronisch.« Er hob den USB-Stick empor. »Er
enthält Professor Cleesewoods Forschung, mit deren Hilfe man das Alter von
Pu-Erh-Tee mittels eines einfachen Schnelltestes feststellen kann. Die
University of Cambridge könnte, vermutlich sogar zu Recht, sagen, dass diese
Forschung ihr gehört. Allerdings ist sie nicht in ihrem Besitz. So ein
USB-Stick geht ja schnell mal verloren. Wer immer gewinnt, kann die Daten also
einfach der Universität überlassen â und auf deren groÃe Dankbarkeit zählen â
oder direkt gegen einen Obolus verkaufen. Ich habe die Daten selbstverständlich
nicht kopiert, sie befinden sich nur hier, nirgends sonst.«
Adalbert Bietigheim lieà seine Worte sacken, bevor er fortfuhr: »Der
zweite Preis ist ein Pu-Erh-Tee, dessen Alter Sie nicht bestimmen müssen, denn
es ist unwichtig. Wichtig ist nur, dass er das stärkste bekannte Aphrodisiakum
der Welt ist. Manch einer mag einwenden, der zweite Preis sei wertvoller als
der erste. Aber auch das ist unwichtig, denn der Gewinner erhält beide Preise.
Oder wie die schwedischen Komponisten Benny Andersson
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