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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Donnerwetter
geben!
    Dennoch trat Bietigheim mit einer gewissen Vorfreude ein. Denn die
Kunde von der Sekretärin des Instituts hatte sich bis in die Hansestadt Hamburg
verbreitet. Asha Ghalib sollte eine Inderin mit Augen wie Kaffeebohnen und Haut
wie Milchschokolade sein, eine kleine, kräftige Frau mit rotem Punkt auf der
Stirn, stets in traditionelle, ausgesprochen farbenfrohe Saris gekleidet. Ihr
wurden magische Hände bei der Zubereitung von Tee nachgesagt, und angeblich
behandelte sie in ihrer herzlichen und generösen Art das Lehrpersonal wie auch
die Studenten allesamt wie ihre Kinder.
    Als Adalbert eintrat, saß sie hinter ihrem schmalen Schreibtisch und
tippte auf der Computertastatur.
    Â»Hummel, Hummel!«, rief er ihr fröhlich zu und erklärte sogleich,
dass dies der traditionelle Hamburger Gruß sei, auf den sie mit »Mors, Mors«
antworten müsse.
    Asha Ghalib blickte nicht auf, sagte nichts, und reichte ihm auch
nicht die Hand, als der Professor die seine ausstreckte.
    Ob es sich um eine andere Frau handelte?
    Sein Büro befand sich, wie er nach kurzem Suchen herausfand, am Ende
des Flurs. Von den anderen Institutsangehörigen war nichts zu sehen. Komisch,
alles sehr komisch. Es war doch bekannt, dass er heute seine Stelle antreten
würde, ja, sogar die Uhrzeit war festgelegt. Hieß man heutzutage neue
Professoren nicht mehr herzlich willkommen? Was war nur aus der englischen
Gastfreundschaft geworden?
    Im Büro fand er die Antwort auf seine Fragen – in Form des »Daily
Telegraph«. Wie sich herausstellte, bildete er selbst das Titelthema der
heutigen Ausgabe. Und nachdem Bietigheim den Artikel überflogen hatte, wunderte
ihn das Verhalten der Sekretärin auch kein bisschen mehr. Laut einer gut
informierten, aber ungenannten Universitätsquelle sollte er behauptet haben,
dass seine Vorgänger, die beiden ermordeten Professoren, einfach nicht gut
genug auf sich aufgepasst hätten. »Ich bin da von ganz anderem Kaliber«, hatte
er der Zeitung zufolge großspurig behauptet. »Und ich weiß, welche Straßen ich
wann meiden muss. Deshalb trete ich die Stelle ohne Furcht an.«
    Es klang wie eine Herausforderung an den Mörder. Und es war eine
unglaubliche Frechheit gegenüber den Verstorbenen. Wer verbreitete so etwas
über ihn? Und warum? Etwa um ganz Cambridge gegen ihn aufzubringen? Wer immer
es getan hatte, er war gerissen. Bietigheim war noch keinen Tag hier und hatte
schon einen Haufen Feinde. Manchmal drehte die Erde sich einfach zu schnell.
    Ohne anzuklopfen trat Asha Ghalib ein und stellte ihm wortlos eine
Tasse auf den Schreibtisch. Der Teebeutel schwamm noch darin.
    Das war dann wohl die Höchststrafe.
    Die Behauptung, Adalberts Laune wäre schlecht gewesen, war eine
maßlose Untertreibung. So als würde man sagen, im Inneren der Sonne sei es
warm. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so schlecht gelaunt gewesen zu
sein. Ohne Fahrrad und Hund fehlte ihm außerdem alles, was seine Laune von
kochend auf siedend gesenkt hätte. Kurzerhand rief er in der Zeitungsredaktion
an und bestellte den Redakteur zu sich. Dieser bestand jedoch darauf, sich am
Cam zu treffen, und gab den genauen Uferabschnitt durch.
    Bietigheim stapfte hin. Es war erstaunlich, dass seine schweren
Schritte keine Abdrücke im Asphalt hinterließen.
    Ein idyllischerer Ort als das Flussufer war kaum denkbar, das träge
Wasser, in dem sich die wärmende Sonne spiegelte, einige Stechkähne, die
langsam vorbeigestakt wurden, Spatzen auf der Suche nach Krümeln, ja sogar ein
laues, fast mediterranes Lüftchen. Es war, als würde sich das Wetter über seine
Stimmung lustig machen.
    Der Bursche von der Zeitung trug eine Jacke und eine Hose in Tweed.
Die Kombination von Oberlippenbart und Koteletten erinnerte an einen
Jahrmarktsboxer vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Allerdings in einer
schmächtigen Version. Ein Schlag, und er würde in der Ringecke zusammensacken.
Leicht gebückt, mit ausgestreckter Hand, kam er auf Bietigheim zu.
    Â»Michael Broadbent, danke, dass Sie sich die Zeit nehmen.«
    Obwohl der Professor schlecht gelaunt war, schüttelte er ihm die
Hand. Ein Bietigheim vergaß nie seine Manieren. Und ein Bietigheim sprach
Englisch stets mit perfektem Upperclass-Akzent. Absolut fehlerfrei, verstand
sich. Wenn einer den Engländern zeigen konnte, wie man richtig Englisch sprach,
dann er. Broadbent dagegen

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