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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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wies einen leichten irischen Einschlag auf.
    Â»Sie werden einen Widerruf drucken. Wenn Sie möchten, können wir das
auch über meine Anwälte laufen lassen.« Bietigheim hatte keine Anwälte, aber es
klang einfach besser.
    Â»Wir machen etwas viel Besseres«, antwortete Broadbent. »Einen neuen
Artikel, in dem Sie alles geraderücken. Und zwar mit Foto, das wird die
Aufmacherstory!«
    Â»Ich möchte den Artikel aber vor Veröffentlichung gegenlesen.«
    Â»Das ist unübl…«
    Â»Ich werde ihn vor Veröffentlichung
gegenlesen.«
    Â»Gerne.«
    Bietigheim trat nahe ans Ufer. »Schreiben Sie mit! Ich habe nichts
dergleichen gesagt und denke auch nichts dergleichen. Wissenschaftlich und
menschlich gesehen sind die Morde eine Tragödie, ja, schreiben Sie das, das ist
gut. Eine menschliche Tragödie, lassen Sie wissenschaftlich weg. Schreiben Sie
stattdessen, ich empfände Hochachtung für die beiden. Sämtliche zuvor von Ihnen
abgedruckten Zitate seien falsch. So, und damit auf Wiedersehen.« Er wandte
sich zum Gehen, es gab noch viel zu tun. Dieser Broadbent wollte zwar noch ein
Foto von ihm haben, aber das musste nun wirklich nicht sein.
    Â»Hier ist es passiert«, sagte der Redakteur. »Von hier stammen die
Boote, in denen die beiden Toten gefunden wurden, und hier müssen sie auch
losgemacht worden sein, sonst hätten sich die Boote nicht an der fraglichen
Stelle am Ufer des Cam verhakt.«
    Bietigheim hielt inne. »Weiß man, um wieviel Uhr sie gestorben sind?«
    Broadbent schüttelte den Kopf. »Durch das Einlegen der Leichen in
Wasser war es den Gerichtsmedizinern leider nicht möglich, den Todeszeitpunkt
genauer einzugrenzen.«
    Â»Das war sehr schlau vom Täter. Oder den Tätern.« Bietigheim ging
auf einen der am Ufer vertäuten Kähne zu. »Es muss lange gedauert haben, so ein
Boot mit Tee zu füllen. Warum ist das Ganze niemandem aufgefallen?«
    Â»Dies ist keine Wohngegend, hier gibt es fast nur Büros. Und nachts
verirren sich höchstens ein paar Verliebte hierher, die, nun ja, in den
Stechkähnen ist ausreichend Platz …«
    Â»Was waren es für Wochentage?«
    Â»Was für Wochentage ? Das hat noch nie
einer gefragt.«
    Â»Nun antworten Sie schon. Der Wochentag kann entscheidend sein.
Beeilung!«
    Broadbent blätterte in seinem Notizbuch. »Beim ersten Mord wurde die
Leiche an einem Sonntag gefunden, beim zweiten war es ein Mittwoch. Sind alle
Deutschen so unhöflich?«
    Adalbert sah den Schwänen nach, die arrogant wie Hollywood-Diven
alter Schule über den Fluss trieben, ohne jemanden auch nur eines Blickes zu
würdigen. Es sei denn, er hatte Brot für sie. Ein Exemplar schien besonders
bösartig und jagte seine Artgenossen quer über den Fluss. Er hatte nur noch ein
Auge, das andere wohl im Kampf verloren. Aber das Verbliebene reichte, um seine
Opfer schnell genug auszumachen.
    Der Professor konnte Schwäne nicht ausstehen. – Er drehte sich
wieder zu dem dreisten Schreiberling. Kaum war er hier, steckte er schon mitten
in Ermittlungen, nicht einmal Zeit für High Tea mit alten Freunden blieb ihm.
Was fragten Polizisten bei einem Mord? Er musste nicht lange nachdenken.
    Â»Fehlte irgendetwas? Geldbörsen? Schlüssel?«
    Â»Nein, nichts.«
    Â»Wurde Alkohol in ihrem Blut gefunden? Na los. Sagen Sie schon.«
    Wieder blätterte der Reporter. »Beim Earl ja, und zwar ein Komma
zwei Promille, bei Cleesewood nicht.«
    Â»Wer hat sie gefunden?«
    Â»Warum lesen Sie nicht die Zeitungsartikel?«
    Â»Sind Sie zu faul, um nachzusehen? Oder sind Ihre Notizen
ungeordnet? In jedem Falle wäre es eine Schande für einen Cambridge-Studenten.«
    Die Röte stieg in Broadbents Gesicht empor wie kochende Lava. »Sie
sind ein schrecklicher Mensch!«, rief er.
    Â»Was für ein Unsinn. Ich pflege nur meine Zeit effektiv zu nutzen.
Wenn ich es richtig sehe, ist die sicherste Methode für mich, nicht umgebracht
zu werden, den Täter schnell zu finden. Also werde ich das tun. Und Sie reißen
sich zusammen, sonst werde ich die Universität über Ihr Verhalten informieren.
Sie sind doch Student, oder? So wie Sie läuft zumindest kein ernsthafter
Journalist herum. Diese Koteletten, ich bitte Sie! Also halten wir fest: Sie
sind freier Mitarbeiter, aber eigentlich Student. Wo nehmen Sie bloß die Zeit
für solch ein Hobby

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