Der letzte Aufstand
eine Bombe explodiert. Was war das? Wie konnte das sein? Dann plötzlich war sie frei. Danielle schwebte über ihrem Körper. Sie sah, wie ihr Körper auf Deck stand und wie Mehmet einen halben Meter nebenan die Bastion hielt. Arme immer noch leicht gestreckt.
Meine Güte, sagte Danielle zu sich selbst. Ich habe eine ausserkörperliche Erfahrung. Als Parapsychologin hatte sie dieses Thema intensiv studiert. Und dann fiel ihr ein, dass sie gerade all die klassischen Symptome einer Loslösung vom Körper durchlaufen hatte, es aber in ihrer Panik nicht registriert hatte. Danielle blickte um sich. Sie hatte tatsächlich ihren inneren Blickwinkel verschoben. Sie stiess einen Freudenschrei aus. Dann wollte sie die Gunst des Moments nutzen und die Umgebung etwas näher inspizieren. Doch als sie sich bewegen wollte, merkte sie, dass hier ganz andere Gesetzmässigkeiten herrschten. Jede Bewegung fühlte sich an, als sei sie in Kaugummi gefangen, zähflüssig und träge. Danielle musste lachen. Es war genau so, wie es von den unzähligen Menschen, die weltweit ähnliche Erlebnisse hatten, beschrieben wurde. Sie befahl sich selbst mehr Klarheit und weniger Klebrigkeit. Sofort veränderte sich die Substanz in der sie unterwegs war. Unglaublich, dokumentierte sie das Geschehen für sich selbst.
Abends, als sie bei Luc und Flying Shark in der Kabine lag, berichtete sie über jede noch so kleine Nuance ihres Erlebnisses.
☸
Brüssel, 5 Tage nach „Tag X“
„Ab jetzt treffen wir uns alle vier Stunden. Morgen, wenn es los geht, werden wir andauernd in Kontakt sein.“, sagte Danielle, die wiederum die Leitung der Online Konferenz übernommen hatte.
„Die Probabilitätskurve bei diesem Anschlag hüpft umher wie eine junge Katze ...“, sagte sie.
„Was bedeutet das?“, fragte Yeva.
Luc rutschte etwas näher an die Kamera heran. „Normalerweise finden wir 24 Stunden vor einem Anschlag eine relativ klare Zukunft vor. Das heisst, wir können meist auch die feinen Details des Handlungsstrangs bereits bestimmen. Aber bis es tatsächlich passiert ist, ist es nur eine Probabilität, wenn auch eine, die meist 99% Sicherheit aufweist. Stell Dir vor, Du siehst einen Film. Je näher Du dem Anschlag kommst, desto klarer wird der Film und seine Geschichte. Die Bilder werden klarer, haben mehr Kontrast, fügen sich zu einem Ganzen zusammen. Aber es ist immer noch nur eine wahrscheinliche Zukunft. Und jetzt kommt das Komische an diesem Fall: Tom kreiert multiple Zukunftsvisionen. Er ändert seine Entscheidungen fast im Viertelstunden-Takt und jedes Mal, wenn er sie ändert, verändert er damit die Zukunft, die wir lesen. Deswegen sprechen wir von der Probabilitätskurve, die hier in diesem Fall umher hüpft.“
„Und wie bereiten wir uns auf den Anschlag vor?“, fragte Guillaume.
„Wir müssen ihn fassen, bevor die Verästlungen anfangen. Es scheint, dass er sich im klaren darüber ist, dass er den Anschlag verüben will. Er weiss auch, dass er es mit einer Bombe tun wird und er ist sich seines Zieles bewusst: er will das Fussballstadion attackieren. Soweit ist alles klar. Die Unklarheit beginnt bei der Frage, wie er es genau tun wird, um welche Uhrzeit er es genau tun wird, wo im Stadion er es tun wird. Also müssen wir ihn zu einem Zeitpunkt fassen, wo die Zukunft relativ klar ist und noch nicht umher springt!“
„Verstehe ...“, sagte Guillaume.
Danielle klickte mit ihrer Maus auf eine App. Sofort erschien eine Karte von Brüssel auf dem Bildschirm.
„Hier ist das Stadion.“ Sie kreiste mit dem Pfeil um das Areal auf dem Bildschirm. „Und hier wohnt Tom, das haben wir mittlerweile herausfinden können.“
Eine Hundeschnauze drängte sich von unten an Lucs Hand vorbei in den Bereich, der von der Kamera erfasst wurde. Luc versuchte die Schnauze wegzuwischen, nach unten zu drücken, doch die weiss-schwarze Schnauze kämpfte um ihren Platz im Geschehen. Sie doppelte nach, indem sie die Vorderpfoten nach sich zog und auf Lucs Oberschenkel platzierte. Dann stemmte sich ein ganzer Hunde-Oberkörper ins Kameralicht. Bevor Luc sich vehementer zu wehren begann, hatte er eine Hundezunge im Gesicht, die ihn leidenschaftlich leckte. „Flying Shark!“, tadelte Luc den Border Collie. „Runter!“
„Entschuldigung!“ Danielle stand auf, packte den Eindringling am Halsband und zog ihn aus dem Zimmer. Sie kam zurück. „Wo waren wir?“
„Beim Hund ...“, sagte Yeva.
Guillaume zwickte Yeva ermahnend in
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