Der letzte Aufstand
Ausrüstung der ATO. Sie sagten nicht viel über ihn als Person aus. Er war diesbezüglich Teil eines grösseren Ganzen, das darüber bestimmte, wie er herum lief, wenn er bei der Arbeit war.
Guillaume schlenderte unauffällig durch die Regale. Blick weiterhin nach unten gerichtet. Während er seine eigenen Sinnes-eindrücke nach gelben Turnschuhen scannte, unterhielt er sich mit sich selbst.
War er am Arbeiten? War sein Job bei der ATO ein Job? Oder war es eine Berufung? Oder eine persönliche Mission, in der er gerade zu biegen versuchte, was andere Menschen vermasselten?
Plötzlich leuchtete das gesuchte Gelb ihn an. Es war heller, als er es sich vorgestellt hatte. Ein leuchtendes Zitronengelb, darunter eine weisse Sohle. Das Selbstgespräch verstummte. Guillaumes Blick wanderte hoch. Eine junge Frau - schätzungsweise dreissig Jahre alt - modisch gekleidet; die Turnschuhe passten nicht wirklich zum Outfit, fand Guillaume.
„Ich hab die Kundin gefunden. Sie hat rote Haare, nicht braun, wie auf dem Foto des Führerausweis. Kannst du das bestätigen, Luc?“
Guillaume sprach mit ruhiger, aber keinesfalls flüsternder Stimme. Er musste nicht wirklich aufpassen. Es war normal, dass Leute konstant in irgendwelche mobilen Gespräche verwickelt waren. Niemand fiel so auf.
„Bestätigt!“, sagte Luc.
„Ich sehe sie. Bin etwa sechs Meter hinter ihr.“, hörte er Yevas Stimme im Begleiter.
„Zwei Minuten und drei Sekunden bis Touchdown X ...“, fügte Luc an.
Guillaume schaute Yolande Lefort von der Seite her an. Sie sah keinesfalls wie eine Terroristin aus. Sie wirkte - er fand kein besseres Wort - heiter. Als blicke sie einer vielversprechenden Zukunft entgegen. Sie stöberte in einem Buch rum, das sie aus der Reihe der Romanzen genommen hatte. Zwischen Arm und Brustkasten hatte sie ein anderes Buch geklemmt, welches sie scheinbar zu kaufen gedachte.
Wieso kaufte eine Terroristin ein Buch, wenn sie doch kurz davor war sich selbst und unzählige andere durch ein aggressives Virus aus einem Biowaffen-Labor umzubringen?
Guillaume dacht nach. Das machte keinen Sinn. Dann wurde ihm etwas klar. Yolande hatte durchaus nicht vor, selbst ein Opfer ihres Anschlages zu werden. Wahrscheinlich ...
„Leute, ich glaube Yolande hat eine Atemschutzmaske bei sich und wird die Szene sofort nach dem sie die Kanüle zerbrochen hat verlassen. Kann das sein, Luc?“, sprach Guillaume in das Mikrofon des Begleiters. Diesmal hatte er die Stimme etwas gedämpft, indem er die Hand als Schutz vor den Mund gehalten hatte.
„Negativ, sie kommt bei dem Anschlag ums Leben.“
„Kannst du Danielle bitten, das noch einmal zu überprüfen? Sie ist viel zu gelassen. Sie sieht überhaupt nicht so aus, als ob sie ihren eigenen Tod erwartete. Sie ist viel zu locker, da stimmt was nicht.“
Guillaume sah, wie Yeva sie von der Seite aus der Distanz beobachtete.
„Ich weiss was du meinst, Guillaume!“, sagte sie.
Im Begleiter war es still. Luc kontaktierte Danielle im anderen Zimmer.
Guillaume blätterte in einem Buch rum, während er auf die Antwort wartete. Nach einer halben Minute kam sie.
„Bestätigt. Yolande stirbt bei dem Anschlag.“
Yeva und Guillaume tauschten, über einen Tisch auf dem Kochbücher ausgelegt waren, einen besorgten Blick aus. Die Rechnung ging nicht auf. Zwischen ihnen stand nicht eine Frau, die wusste, dass sie die Stunde nicht mehr überleben würde. Das Bauchgefühl behauptete etwas ganz anderes.
„Noch fünfundvierzig Sekunden“, sagte Luc.
Yolande stand weiterhin vor dem Buchregal und zog immer wieder ein neues Hardcover-Buch aus der Reihe, um auf der Hinterseite die Zusammenfassung zu lesen.
„Hat Yolande ein fehlendes Fingerglied an der rechten Hand? Fehlt ihr ein Stück ihres kleinen Fingers?“, fragte Guillaume plötzlich gehetzt.
Die Sekunden tickten fast schon hörbar dahin. Guillaume zählte sie, während er äusserlich einfach ein Passant war, der ruhig in einem Buch blätterte. Innerlich war die Hölle los. Keine Schulung der Welt konnte einen darauf vorbereiten, gelassen dem Sterben entgegen zu blicken. Und sein Tod war jetzt gleich um die Ecke.
Nach zehn Sekunden kam Lucs Antwort.
„Negativ. Finger sind alle ganz. Ihr habt die Falsche!“
Plötzlich wurde der Einsatz zu einem Albtraum. „Leute, dreissig Sekunden!“, bellte Luc.
Gehetzt stiess Guillaume das Buch wieder in den Spalt in der Buchreihe zurück. Gelbe Turnschuhe. Das Wort geisterte ihm im Kopf herum, während er
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